Dass Landrat Michael Stickeln sich ganz bewusst für die Welterbestätte Corvey als Ort der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen des Kreises Höxter entschieden hat, freut auch die Kirchengemeinde St. Stephanus uns Vitus. In ihrer Kirche nahm der Festtag am 10. Mai mit einem interreligiösen Gottesdienst seinen Anfang.

Mit dem interreligiösen Gottesdienst in der Abteikirche Corvey begann das Fest zum 50-jährigen Bestehen des Kreises Höxter.
Dieser begann mit einem Glückwunsch zum Jubiläum, den der geschäftsführende Vorsitzende des Kirchenvorstandes, Josef Kowalski, gleich zur Begrüßung würdigend anklingen ließ: Der Landrat habe in Corvey „eine bedeutende Gemeinschaft von Verantwortungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Kirche, Bundeswehr, Behörden, Verwaltungen, Schulen, Hilfs- und Sozial-Organisationen“ zusammengeführt. Diese umfasste 150 Gäste.
Wie ein lebendiger Organismus
Sie alle bilden, so Josef Kowalski, „ein beeindruckendes Bild des komplexen und lebendigen Organismus unserer Kreis-Strukturen“. Eine so umfassende Versammlung von Verantwortungsträgern – unter ihnen der Festredner des Tages, Landtagspräsident André Kuper, – „hat unsere ehemalige Abteikirche wohl noch nicht gesehen“.
Für die Kirchengemeinde sei es auch in dieser Stunde eine bleibende Pflicht und Ehre zugleich, den ehemaligen Landrat Hubertus Backhaus († 2012) „in unsere Mitte zu nehmen“, betonte der Kirchenvorstand. Er habe sich initiativ und führungsstark für Corveys Ernennung zum UNESCO-Welterbe und später als Gründer und Vorsitzender des Förder-Vereins CHORUS für die Restaurierung und den Erhalt der historischen Orgel der Abteikirche eingesetzt.
Landräte und Politiker gewürdigt
Hubertus Backhaus (amt. 1996 – 2009) war der erste hauptamtliche Landrat des Kreises Höxter – gefolgt von Friedhelm Spieker (amt. 2009 – 2020), der beim Jubiläumsfest in Corvey dabei war, und jetzt Michael Stickeln. Der Amtsinhaber dankte beim Festakt im Kaisersaal ihnen und auch seinen ehrenamtlichen Vorgängern Alex Brunnberg (amt. 1973 – 1989), Dr. Karl Schneider (amt. 1989 – 1994) und Franz-Josef Thöne (1994 – 1996).
Stickelns Würdigung galt auch den früheren und derzeitigen Kreistagsmitgliedern. Im Gottesdienst zum Jubiläum führte er die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen am Ambo zusammen. Sie alle trugen gemeinsam mit ihm Fürbitten vor.
Konfessionen und Religionen am Altar vereint
Dass nicht nur das Gesetz, sondern auch der christliche Glaube für den Zusammenhalt innerhalb des demokratischen Gemeinwesens der Region und des Landes eine Grundlage ist – diese Botschaft des Gottesdienstes hatte der Leiter des Pastoralverbunds Corvey, Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek, zuvor zum Ausdruck gebracht.
Am Altar versammelten sich um den katholischen Geistlichen herum die Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Konfessionen und Religionen: der koptische Bischof Anba Damian (Kloster Brenkhausen), der evangelische Pfarrer Tim Wendorff als Vertreter der Landeskirche und des Kirchenkreises, Gemeindereferent Heinrich Esau (Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Höxter) und Xenia Nickel (Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Paderborn). Sie alle gestalteten den würdigen Gottesdienst zu Ehren des seit fünf Jahrzehnten bestehenden Kreises Höxter mit.
Herkunft bleibt Zukunft

Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz. Foto: Besim Mazhiqi
Die Bedeutung des Ortes der Feierlichkeiten – Corvey – für die Entwicklung der Region rückte Dompropst Monsignore Joachim Göbel im Namen des Erzbischofs Dr. Udo Markus Bentz ins Blickfeld. Der hohe Gast aus Paderborn verlas ein Grußwort des Oberhirten von 1,4 Millionen Katholiken.
„Herkunft bleibt Zukunft“ hatte der Erzbischof seine Gedanken überschrieben. Und diese Herkunft im Welterbe Corvey, „einem spirituell-kulturellen Highlight von europäischer Bedeutung“, verortet.
„Von der Botschaft Jesu fasziniert, kamen schon zu Beginn des 9. Jahrhunderts Benediktinermönche aus der Abtei Corbie in Frankreich auf dem für sie nicht ganz ungefährlichen Weg in die Gegend des Weserbogens und gründeten hier 822 dieses gewaltige Kloster“, nahm Erzbischof Dr. Bentz die Festgesellschaft mit zu den Anfängen dieses charismatischen Ortes. „Die Botschaft Jesu, die diese ersten Mönche in die pagane germanische Welt trugen, ließ die Abtei zu einem Leuchtturm des Glaubens und der Kultur werden, der dann mit dem heiligen Ansgar (801-865) bis in den Norden Europas ausstrahlte und bis heute strahlt“.
Ansgar bis heute ein Vorbild

Ansgar, Apostel des Nordens, hat einen bedeutenden Platz unter den prägenden Corveyer Persönlichkeiten in den Chorgestühl-Dorsalen der ehemaligen Abteikirche,
Gerade Ansgar sei ein Beispiel dafür, wie sich das Evangelium trotz vieler Niederlagen und Rückschritte immer wieder neu verbreite – und wie der Glaube an den Gott der Liebe, der Verzeihung und der Armen und Kleinen stets neu in der Diaspora, „an den Rändern“, wie der verstorbene Papst Franziskus immer und immer wieder gesagt habe, wachse, „auch entgegen größter Widerstände und oft sogar völlig überraschend und wider alles Erwartbare“.
Die Menschen unseres Raumes hier seien so zu Christinnen und Christen geworden, betont der Erzbischof. „Und die Gebote Jesu wurden so zu wichtigen Orientierungsmarken für die Entwicklung vor Ort und überhaupt für die Entwicklung ganz Europas. Die universale Verantwortung für den Mitmenschen, die aus dem Gebot der Gottes- und Nächstenliebe entspringt, wurde zu einem Eckpunkt, der die Kultur, Philosophie, Gesellschaft und Politik Europas bis in unsere Tage prägt und auch weiter prägen wird, bewusst oder unbewusst“.
Glaube prägt Leben bis heute
In diesem Kontext schreibt Dr. Bentz Corvey eine zentrale Rolle zu. Die ehemalige Benediktinerabtei an der Weser liefere in ihren Ursprüngen einen wichtigen Baustein für die Christianisierung Europas. „Auch das sollte uns an einem Festtag wie diesem bewusst bleiben: Der Glaube unserer Herkunft prägt das Leben im Kreis Höxter bis hierher.“
Herkunft und Zukunft seien zwei Seiten ein und derselben Medaille. „Nur wer seine Herkunft kennt und versteht, kann die Gegenwart einschätzen und die Zukunft verantwortlich gestalten“, formulierte Paderborns Erzbischof ein klares Postulat.
Glaube und Heimat, „Glaube und Heimatkreis Höxter“, das gehöre in dieser Region untrennbar zusammen. Philosophen wie Martin Heidegger und Odo Marquard hätten das immer wieder sehr deutlich gesehen: „Herkunft bleibt stets Zukunft.“
Was bringt Kirche noch ein?

150 Gäste waren zum Jubiläumsfest des Kreises Höxter eingeladen, unter ihnen auch der heimische CDU-Landtagsagbeordnete Matthias Goeken (vorne). Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey (neben ihm) begrüßte die Festgesellschaft später beim Festakt im Kaisersaal des Schlosses.

Landtagspräsident André Kuper (3. von links) hielt die Festrede zum 50-jährigen Bestehen des Kreises Höxter. Im Bild auch Landrat Michael Stickeln mit Ehefrau Christina (vorne), Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling und Regionalratsvorsitzenden Heinz-Günter Koßmann.
Ohne die Vergewisserung des Vergangenen, das uns prägt, gebe es keine Zukunft, ist Erzbischof Bentz überzeugt. „Und diese Idee findet Anwendung nicht nur in der Philosophie, sondern hier und jetzt in dieser ganz konkreten Kultur und Gemeinschaft, ja sogar im persönlichen Leben und Erleben eines jeden einzelnen, einer jeden einzelnen von uns.“
„Was aber bringen Glaube und Kirche in unsere Gesellschaft hier im Kreis Höxter heute noch ein? Wo und wie kann die Kraft des Evangeliums das Soziale, die Politik, die Wirtschaft in Höxter, Bad Driburg, Brakel, Marienmünster, Nieheim, Steinheim, Willebadessen oder Warburg weiter prägen und verändern?“ Das seien Fragen, „denen wir uns stellen müssen und die uns auch in den Transformationsprozessen als Kirche fordern“.
Nähe zu den Menschen
„Wie kann ich meinen Alltag und die Welt um mich herum aus der Kraft des Glaubens meiner Herkunft gerecht und nachhaltig gestalten? Wie können wir künftig die Nähe der Kirche zu den Menschen glaubwürdig vor Ort leben?“ Der Theologie Karl Rahner gebe eine Antwort: „Aus der Kraft eines Glaubens, der die Erde liebt“.
Paderborns Erzbischof lässt keinen Zweifel daran: „Unsere Werte, unsere Hoffnungen, unser Freiheitsbewusstsein, unsere Überzeugung, dass jede Person einzigartig ist und eine besondere Würde besitzt: All das ist meiner Meinung nach ohne unsere christliche Herkunft so nicht vorstellbar. Das kommt nicht allein aus der Aufklärung und schon gar nicht aus der griechischen oder römischen Antike.“
Töpfer – Europäer und Menschenfreund
Diese Haltungen hätten auch die Mönche in Corvey vor Augen gehabt. Oder später auch so große Europäer und Menschenfreunde wie Klaus Töpfer (1938-2024), der hier Heimat gefunden habe und den der Erzbischof stellvertretend für viele christliche Politikerinnen und Politiker in den Blick nahm. „Das ist unser Erbe. Ein solches Europa in seinen Regionen ist ein Segen für alle Menschen, die hier leben – und für die ganze Welt. Ja, für die ganze Welt.“
Klaus Töpfer, an den Erzbischof Dr. Bentz erinnerte, war mit Corvey eng verbunden. Der ehemalige Bundesminister und Exekutivdirektor des UNO-Umweltprogramms war Ehrenbürger Höxters und hat sich um die Aufnahme des Weserklosters in das Erbe der Menschheit verdient gemacht. Im Golfstaat Katar war er am 21. Juni 2014 bei der entscheidenden Sitzung der Delegierten des UNESCO-Komitees dabei und brachte den Titel für das karolingische Westwerk und den als Bodendenkmal erhaltenen mittelalterlichen Klosterbezirk, die Civitas, Seite an Seite mit dem damaligen Pfarrdechanten Ludger Eilebrecht und Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey mit nach Hause.
„Segel und Steuer sind Euer“

Auch beim Festakt im Kaisersaal wurde deutlich, dass 50 Jahre Kreis Höxter eine Erfolgsgeschichte sind.
Den Gedanken des Erzbischofs und auch einem Aufruf des Kirchenvorstands würde Klaus Töpfer sich sicher anschließen. Seinen Appell leitet Josef Kowalski aus einer Aufschrift ab, die ein kunstvoll gestalteter Brunnen auf der Insel Rügen trägt: „Gottes sind Wogen und Wind, aber Segel und Steuer sind Euer, dass Ihr den Hafen gewinnt.“ „Wenn alle Verantwortungsträger sich bemühen, führungsbewusst den richtigen und besonnenen Kurs zu setzen und zu halten, dann werden alle Entwicklungen für unser Gemeinwohl letztlich einen guten Verlauf nehmen“, schaut Josef Kowalski zuversichtlich nach vorne.
Die Botschaft des Erzbischofs, mit der der Oberhirte sein Grußwort schließt, wird in dem Zusammenhang zu einem Kompass: „Der Glaube unserer Herkunft eröffnet uns Zukunft. Immer neu.“