Faszinierend: Karolingische Architektur

Die Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg führen 1665 dazu, dass die ehemalige Abteikirche in Corvey abgerissen wird, wenige Jahre später entsteht die heutige barocke Kirche. Das prächtige Westwerk hat die Wirren der Zeit überstanden. Als eigenständiger, vorgelagerter Zentralbau gibt es heute noch tiefe Einblicke in die damalige Architektur.


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Welterbetitel für das Karolingische Westwerk und die Civitas Corvey

„Das Westwerk von Corvey in Höxter an der Weser ist eines der wenigen in den wesentlichen Teilen erhaltenen karolingischen Bauwerke und darüber hinaus das einzige erhaltene Zeugnis des Bautyps Westwerk aus dieser Zeit“, begründete das UNESCO-Komitee 2014 seine Entscheidung. Es vereine Innovation mit dem Rückgriff auf antike Vorbilder auf hohem Niveau und habe als Bautypus die abendländische Architektur bis zum Ende der Romanik ganz wesentlich mitgeprägt, so das internationale Gremium.

Prägend für die abendländische Kultur

Die Kapitelle der eindrucksvollen Erdgeschosshalle des Westwerks spiegeln das Formenrepertoire der Antike wider. Auch in den ornamentalen Friesen, deren Fragmente an vielen Stellen erkennbar sind, ist der Rückgriff auf klassische antike Elemente wie Akanthus oder geometrische Formen spürbar. Am eindrucksvollsten erkennt man diese Spuren jedoch in der einzigartigen Inschrifttafel an der Fassade des Westwerks, deren kostbares Original im 20. Jahrhundert durch eine Kopie ersetzt wurde.

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Weltgeschichte am Weserbogen

Corvey gilt im frühmittelalterlichen Frankenreich als eines der bedeutendsten Klöster der damaligen Welt. Im Jahr 822 im Auftrag von Kaiser Karl dem Großen und durch seinen Nachfolger Ludwig den Frommen gegründet, avanciert die strategisch günstig an den Ufern der Weser gelegene Benediktinerabtei bald zum geistigen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zentrum. Ein Leuchtturm, der weit in alle Teile des Kontinents strahlt.

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Fragmente verlorener Farben und Formen 

Was für die heutigen Besucher kaum vorstellbar ist, soll in den kommenden Jahren virtuell erlebbar werden. Karolingische Künstler schufen zur Weihe des Westwerks vor über 1100 Jahren im Auftrag des damaligen Abtes ein Feuerwerk aus Farben und Formen, welches die hohen Räume in eine faszinierende Bilderwelt verwandelte. Sämtliche Architekturelemente waren mit dekorativen Ornamentbändern geschmückt und figürliche Szenen führten den Mönchen in ihrem immer wiederkehrenden Tagesrhythmus das „grausige Meer der Welt“ vor Augen, dem sie standhaft zu widerstehen hatten, um einst in das ersehnte „Himmlische Jerusalem“ zu gelangen.

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Die Civitas Corvey

Während die Doppelturmfassade des karolingischen Westwerks für Fotos werbewirksam Modell steht, führt der zweite Teil des Weltkulturerbes, der als „Civitas“ bezeichnete mittelalterliche Klosterbezirk, zwar gut erhalten, aber nicht sichtbar ein Schattendasein im Boden. Trotzdem wird das verdeckte Denkmal beim Corvey-Besuch gleich auf den ersten Blick gegenwärtig. Denn an der markanten Bruchstein-Front des Westwerks fällt sofort die große Inschriftentafel mit einem Segenswunsch für die „Civitas“ ins Auge. „Umhege, o Herr, diese Stadt und lass deine Engel die Wächter ihrer Mauern sein“: Mönche haben diese Bitte an Gott in Stein meißeln lassen.
Wie hat er denn ausgesehen, der frühe Klosterbezirk, die „Civitas“ Corvey, von der die Ordensmänner so inständig hofften, dass Gott sie behüten möge?

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Von Corvey in die Welt

Der Idee seines Vaters folgend ließ Ludwig der Fromme ausgehend vom Mutterkloster Corbie das Kloster Nova Corbeia, das heutige Corvey, gründen. In ihrem Gepäck hatten die Corbier Mönche kostbare Bücher, die den Grundstein der herausragenden Corveyer Klosterbibliothek bildeten. Mit den Handschriften kam als erster Lehrer der neugegründeten Klosterschule ein Mönch namens Ansgar, der als späterer Erzbischof von Bremen und Hamburg und „Apostel des Nordens“ die christliche Religion bis weit nach Nordeuropa transportierte. Wie von Karl dem Großen geplant, entwickelte sich Corvey zu einem frühen Zentrum der Mission.

 

Abbildung: Statue des hl. Ansgar auf der Trostbrücke in Hamburg

Alle Fotos auf dieser Seite: Kalle Noltenhans · Grafik und 3D-Simulation der Ausmalung des Johannischors: Ludger Schwarze-Blanke