Herzstück Johannischor

Das Herzstück des Westwerks ist der Johannischor mit seiner einstmals farbenprächtigen Ausmalung. Vom quadratischen hohen Hauptraum ausgehend öffnen sich zu allen Seitenschiffen jeweils drei Arkaden, die den biblischen Beschreibungen des Himmlischen Jerusalems aus der Offenbarung des Johannes entsprechen: „Die Stadt hat eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Auf die Tore sind Namen geschrieben: die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels. Im Osten hat die Stadt drei Tore und im Norden drei Tore und im Süden drei Tore und im Westen drei Tore.“ (Offb. 21, 12-16). Die Wirkung des Richtung Himmel strebenden wird durch die über den Rundbögen liegenden Doppelarkaden der Emporen noch gesteigert. Den Abschluss bildet heute eine flache Balkendecke mit einem Stuckdekor aus der Renaissance. Die ursprüngliche karolingische Decke lag etwa einen halben Meter höher.

Steinere Zeugen einer bewegten Vergangenheit

Zwischen 873 und 885 wurde das Westwerk als eigenständiger Zentralbau an die 844 vollendete karolingische Abteikirche gebaut. Diese besaß anfangs nur einen schlichten rechteckigen Chor, der nach einem Brand 870 erweitert und nach Osten mit drei Kapellen versehen wurde, deren mittlere einen kreuzförmigen Grundriss aufwies. Die Kirche hatte von Anfang an ein Atrium, das sich in einer Länge von etwa 30 Metern nach Westen erstreckte. Mit dem Bau des Westwerks wurde das Atrium nach Westen verschoben und spätestens zu diesem Zeitpunkt zweigeschossig. Noch heute zeugen vermauerte Türen auf der westliche Seite der Treppentürme in etwa 3 Metern Höhe von der Existenz dieses ehemaligen Vorhofs.

Die Geschichte der Türme

Während das Innere des Westwerks trotz einiger Eingriffe im Wesentlichen unverändert erscheint, entstand die heutige charakteristische romanische Zweiturmfront erst im 12. Jahrhundert. Ursprünglich besaß das Westwerk drei Türme, die noch heute vorhandenen seitlichen Treppentürme und einen mächtigen, etwas niedrigeren Mittelturm, der sich über dem Johannischor erhob. Am Rekonstruktionsmodell ist nachvollziehbar, wie sehr das eindrucksvolle Westwerk die Außenerscheinung der gesamten Klosterkirche dominierte. Die karolingische Kirche selbst wurde nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges 1665 abgerissen und wenige Jahre später durch die heutige barocke Kirche ersetzt.

Alle Fotos auf dieser Seite: Ansgar Hoffmann, Schlangen

Beitragsbild: Grundlage der Fotomontage mit den historischen Wandmalereien und der AR-Simulation im Johannischor sind die wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Hilde Claussen und Anna Skriver in “Die Klosterkirche Corvey”, Bd. 2: Wandmalerei und Stuck aus karolingischer Zeit (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 43,2) Mainz 2007.
Foto: Kalle Noltenhans · Grafik: Ludger Schwarze-Blanke · iPad: blackzheep / Fotolia