„Das, was wir Christen Auferstehung nennen, ist nicht fern, sondern ganz nah.“ Diese von Gemeindereferent Carsten Sperling ins Wort gebrachte Osterbotschaft strahlt von einem bewegenden Lightroom-Gottesdienst in der Abteikirche Corvey hinaus in die Welt. Gespeist aus einem authentischen Zeugnis und der Bildsprache des modernen, neuen Hochaltargemäldes, ließ der Blick auf das österliche Mysterium die Gegenwart Christi in ihrer Diesseitigkeit und liebevollen Verlässlichkeit spürbar werden.

Mit Scheinwerfern und Kerzen war die ehemalige Abteikirche für den Lightroom-Gottesdienst stimmungsvoll beleuchtet. Der Blick richtete sich auch auf das neue Hochaltarbild. Foto: Kirchengemeinde Corvey/Sabine Robrecht
„Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“ Diese biblische Redewendung wird oft und gerne im profanen Alltag bemüht. Beim Lightroom-Gottesdienst in Corvey entfaltete sie aber vor vollem Haus einen Tiefgang, der Himmel und Erde in Verbindung brachte – und der die Verheißung auf ein ewiges Leben in Fülle aus der (gefühlten) Ferne in die Lebenswirklichkeit von heute holte. Denn es gibt sie tatsächlich, die berühmten Zeichen und Hinweise auf den Hoffnungskern des Glaubens. Erlebt und in dem Moment vielleicht gar nicht als solche wahrgenommen. Oder empfunden und dann innerlich „ad acta gelegt“. Dabei können diese besonderen Erfahrungen einen Menschen durch die Stürme des Lebens tragen, wenn er sie sich bewusst macht und ihnen damit einen Platz in Herz und Seele gibt. Erzählt können diese Erlebnisse Hoffnung säen, weil sie dem Tod seinen Schrecken nehmen.
Ein Stück gemeinsames Leben
Beiden Effekten hat Carsten Sperling im zweiten Lightroom-Gottesdienst dieses Frühjahrs in Corvey einen Dienst erwiesen. In einem zeitgemäßen Format – einem Interview mit Annika Maria Düker – erzählte der Gemeindereferent vom plötzlichen Tod eines Freundes, dem er 1989, damals noch Schüler, begegnet war. Der junge Vikar „war für uns als Jugendliche etwas Besonderes. Jemand, der uns nicht nur duldete, sondern ernstnahm. Bei ihm fühlten wir uns willkommen – manchmal saßen wir einfach in seiner Küche, redeten, aßen gemeinsam“.

Annika Maria Düker hat im vergangenen Jahr in Höxter das Sakrament der Firmung empfangen und gestaltete jetzt den Lightroom-Gottesdienst in Corvey mit. Im Interview mit ihr schilderte Gemeindereferent Carsten Sperling eine besondere Ostererfahrung, die sein Leben prägt. Foto: Iris Düker
Aus dieser Beziehung, so Carsten Sperling, sei nicht nur Freundschaft erwachsen, sondern auch eine „Richtung für mein eigenes Leben“. „Ich wurde Jugendleiter, übernahm Verantwortung, begann schließlich das Studium der Religionspädagogik.“
Später arbeiteten beide zusammen. „Als Kollegen und als Freunde. Er hat meine Tochter getauft. Wir haben gemeinsam Gottesdienste vorbereitet, gefeiert, gelacht, diskutiert, Reisen gemacht. Es war ein Stück gemeinsames Leben. Gelebter Glaube.“
Diskussion über die großen Fragen
In einer schweren, von menschlichen Enttäuschungen geprägten Krise Ende 2005 habe der Freund ihn getragen, ihm zugehört und mitgelitten, erzählte Carsten Sperling. In einem tiefen Gespräch, von dem er nicht ahnen konnte, dass es das letzte sein würde, diskutierte der Gemeindereferent mit dem Priester und Freund über große Fragen: Warum passiert so viel Leid? Warum lässt Gott das zu? „Mein junger Onkel war schwer krank, hatte nicht mehr viel Lebenszeit hier auf der Erde. Ich war wieder einmal wütend – auf das Schicksal, auf Gott. Ich habe ihn gefragt: ‚Wenn du stirbst, würdest du ins Licht gehen?‘ Und er sagte: ‚Ja, ich würde gehen.‘ Dann fragte ich noch: ‚Wo ist die Ewigkeit?‘ Aber auf diese Frage hat er nicht mehr antworten können. Unser Gespräch wurde unterbrochen.“
Zwei Tage später starb der Freund. Mit 47. Plötzlich. Mitten in der Nacht. In jenem Augenblick geschah das Unerklärliche, was Carsten Sperling als besondere Ostererfahrung im Herzen trägt: „Ich wusste nicht, dass er starb. Und trotzdem bin ich in genau dieser Nacht plötzlich aufgewacht. Nicht einfach so, sondern wie innerlich geweckt. Es war wie ein Lichtblitz – aber nicht äußerlich, sondern in mir – vor meinen Augen. Heller als alles, was ich je gesehen habe.“ Erst später, am nächsten Tag im Pfarrbüro, habe er erfahren, dass sein Freund genau zu dieser Zeit gestorben war.
„Nur einen Schritt weiter“
Während eines Pressetermins an diesem Tag geschah dann das, was alles verändert habe: Ein Mann winkte Carsten Sperling zu sich. Er stand entfernt, am Kirchturm von Oerlinghausen, und wollte ihm etwas ausrichten. Vom verstorbenen Freund. Ohne die Nachricht selbst zu verstehen. Sie umfasst einen einzigen Satz: „Er lässt Ihnen sagen: ‚Nur einen Schritt weiter.‘ Das war die Antwort auf meine letzte Frage in seiner Küche: ‚Wo ist die Ewigkeit?‘“
Dieser eine Satz erfüllte den Kirchenraum der ehemaligen Abteikirche. Denn er drückt eine große Erkenntnis aus: „Die Ewigkeit ist nicht fern. Sie ist…nur einen Schritt weiter.“

Die musikalische Gestaltung unterstrich die besondere Stimmung des Lightroom-Gottesdienstes: Yvonne Sperling (Gesang), Kira (Violine) und Ralf Westermann (Piano) erreichten die Herzen der Gäste. Foto: Iris Düker
Natürlich versuchte Carsten Sperling, das Erlebte einzuordnen. Dabei stieß er auf eine Grundüberzeugung, die oft Pierre Teilhard de Chardin zugeschrieben wird: „Wir sind nicht menschliche Wesen, die eine spirituelle Erfahrung machen, sondern spirituelle Wesen, die eine menschliche Erfahrung machen.“
Für ihn bringe dieser Satz etwas auf den Punkt: „Dass wir aus dem Licht kommen und dorthin zurückkehren.“ Deshalb habe Jesus gesagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“
Musikauswahl bewegt Zuhörende
Dieses Licht mit der Kernbotschaft des Glaubens zum Strahlen zu bringen, war Anliegen des authentischen Zeugnisses. Abgerundet mit einer Musikauswahl, die die Zuhörenden im Innersten bewegte (Yvonne Sperling, Gesang, Kira Westermann, Violine, und Ralf Westermann, Piano), sowie mit der stimmungsvollen Beleuchtung der Kirche erlebte die österliche Freude und große Hoffnung eine wahre Sternstunde.
Annika Maria Düker, die im vergangenen Jahr in Höxter gefirmt wurde und jetzt den Gottesdienst mitgestaltete, bekräftigte die zuversichtliche Grundstimmung dieses Abends mit einem persönlichen Bekenntnis: „Ich finde den Gedanken schön, dass man verstorbene Freunde und Verwandte irgendwann wiedersieht. Ostern ist der Beweis dafür.“
Die mit diesem Hochfest gefeierte Auferstehung Christi hat der Künstler Thomas Jessen mit seinem neuen Hochaltargemälde für die ehemalige Abteikirche Corvey zeitgemäß in Szene gesetzt. Während historische Darstellungen in ihrer triumphalen Dramaturgie eine ehrfürchtige Distanz schaffen, holt das moderne Bild das Heilsgeschehen ins Hier und Jetzt. Diese Vergegenwärtigung lässt Carsten Sperling und Annika Maria Düker zu der Überzeugung gelangen, dass das zeitgemäße Gemälde sehr wohl in die barocke Kirche passt. Denn: „Kunst kann eine Sprache des Glaubens sein. Manchmal ist sie klarer als Worte.“
Moderner Blick auf älteste Botschaft
In Corvey eröffnet sie, so Carsten Sperling, mit dem neuen Hochaltarbild „einen modernen Blick auf die älteste Botschaft unseres Glaubens: Ostern, Auferstehung.“ Im unteren Teil spreche ihn die leere Grabeshöhle an, aus der ein Schmetterling emporsteigt. Dieser galt, wie der Gemeindereferent erläuterte, in der Antike als Symbol für die Seele. „Und das berührt mich in diesem Bild. Die Raupe lebt am Boden – irdisch begrenzt. Dann kommt der Kokon, eine Hülle des Abschieds, des Sterbens. Doch darin geschieht Verwandlung. Nicht das Ende, sondern ein Anfang.“

Nach dem Gottesdienst konnten die Besucherinnen und Besucher das neue Hochaltarbild mit der modernen Darstellung der Auferstehung aus der Nähe betrachten. Foto: Kirchengemeinde Corvey/Sabine Robrecht
Dieses große, aber nicht ferne Mysterium verbildlicht der kleine, blaue Schmetterling auf dem Gemälde. Das großformatige Kunstwerk komplettiert seit September 2024 den Bilderzyklus des Wechselaltars der Corveyer Kirche mit der seit 80 Jahren fehlenden Osterszene. Nach dem Gottesdienst konnten die Gäste die sonst verschlossene Chorschranke durchschreiten und Jessens Gemälde aus der Nähe betrachten. Dem Bonifatiuswerk der Katholiken ist es zu verdanken, dass das Auferstehungsmotiv es in dem historischen Kontext der ehemaligen Benediktinerabtei zum „Nachdenken über Ostern“ anregt, so wie der Künstler es intendiert.
Erste Firmung im Welterbe
Seit mehr als 1200 Jahren suchen Menschen an dem charismatischen Klosterort mit Welterbe-Titel Gott. Am Freitag, 9. Mai, empfangen jetzt erstmals mehr als 70 junge Menschen an dieser ehrwürdigen geweihten Stätte das Sakrament der Firmung. Im Kontext der Vorbereitungen wehte ein frischer Wind durch die historischen Mauern. Die beiden Lightroom-Gottesdienste im März und jetzt Anfang Mai, die Feier des Triduums und eine spannende Kirchenführung haben junge Menschen mit der Welterbestätte am Weserbogen und ihrer Anziehungskraft als Glaubensort in Berührung gebracht. Beständigkeit und moderne liturgische Akzente schließen sich nicht aus. Ganz im Gegenteil. Moderne Glaubensimpulse erreichen viele Menschen und führen Orte wie Corvey in eine Zukunft, die sie in ihrer Leuchtkraft für das Evangelium aufrechterhält.