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Offen für Gott und aktiv in der Verantwortung

By 18. Juni 2024No Comments

Lässt sich das Geheimnis Corveys auf eine Formel bringen? „Ich glaube schon“, signalisierte der Bischof von Hildesheim, Dr. Heiner Wilmer, vor 400 Gästen beim traditionellen Vitusfest. Der hohe Würdenträger war Ehrengast der Feierlichkeiten in Corvey und verdichtete die Glaubensbotschaft dieses Ortes in seiner Predigt auf einen zeitlosen, prägnanten Leitfaden für ein im besten Sinne des Wortes gottgefälliges Leben.

Offen für Gott sein und aktiv in der Verantwortung für andere Menschen: Diese Aufgabe übertrug Bischof Dr. Heiner Wilmer aus dem Prolog der Benediktsregel. Fotos: Kirchengemeinde Corvey/Sabine Robrecht

Offen für Gott sein und aktiv in der Verantwortung für andere Menschen: Diese Aufgabe übertrug Bischof Dr. Heiner Wilmer aus dem Prolog der Benediktsregel. Fotos: Kirchengemeinde Corvey/Sabine Robrecht

Die Verehrung des in der Christenverfolgung des Römischen Kaisers Diokletian Anfang des 4. Jahrhunderts hingerichteten jungen Märtyrers Vitus geht auf die Überführung seiner Gebeine 836 aus St. Denis bei Paris in das noch junge Kloster an der Weser zurück. Die als Triumphzug überlieferte „Translatio Sancti Viti“ trug zu Corveys herausragender Bedeutung als Pilgerstätte und wirkmächtiges Missionszentrum bei.

Mehr 1185 Jahre später führt Schutzpatron St. Vitus immer noch die Menschen des Corveyer Landes zusammen. Bischof Dr. Heiner Wilmer fand in seiner geistlichen und kulturhistorischen Einordnung des heutigen Welterbes eindrückliche Worte. Er würdigte Corvey als „durchbetete Erde“ und als verdichteten Ort mit großartiger Geschichte.

Benedikts Ordensregel ist ein Fundament

Im vergangenen Jahr mit Radreisenden, davor mit Geschichtskundigen und jetzt als Hauptzelebrant des Vitus-Gottesdienstes: Der hohe Geistliche hat das Kloster am Weserstrand in jüngerer Zeit in unterschiedlichen Kontexten erlebt. Und die Steine der markanten Doppelturmfassade des karolingischen Westwerks bei seiner Festpredigt in einer grundlegenden, aber auch lebenspraktischen Glaubensbotschaft zum Sprechen gebracht. Lebenspraktisch deshalb, weil sich die Formel, auf die er Corveys Aura brachte, im Alltag umsetzen lässt: „Offen für Gott und aktiv in der Verantwortung für andere Menschen zu sein.“

Diese zentrale Aufgabe liest der Oberhirte des Nachbarbistums aus der 1200 Jahre alten und bis heute erhaltenen geistlichen Substanz Corveys. Und richtet den Blick natürlich auch auf ihren Urgrund. Dieser liegt beim Begründer des abendländischen Mönchtums, Benedikt von Nursia, und dem Prolog seiner Ordensregel. Weil die Mönche der Weserabtei seit Gründung des Klosters 822 benediktinisch lebten, sind die Maßgaben des Ordensgründers „das Fundament für Corvey und auch Basis dieser Region“, so Bischof Wilmer.

Gottes Stimme kann man auch in der Küche hören

Die Vitus-Prozession führte wie immer zum Dreizehnlindenkreuz.

Die Vitus-Prozession führte wie immer zum Dreizehnlindenkreuz.

Zunächst zitierte der Geistliche den Prolog der Ordensregel: „Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat!“ Diese Weisung, zu hören und sich zu öffnen, gehe zurück auf die Mitte der Tora, das sechste Kapitel im Buch Deuteronomium. „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig.“

Der große Theologe Karl Rahner (1904 – 1984) habe einmal gesagt, der Mensch sei zuallererst eine Hörerin und ein Hörer des Wortes. „Wir sind von unserer Bestimmung her zutiefst geöffnet“ – für das Wort und auch für die „verborgenen Tränen des anderen“. Die Stimme Gottes offenbare sich nicht, wie der Prophet Elia zuerst denkt, in Sturm, Feuer oder Erdbeben, sondern „in der Stimme des verschwebenden Schweigens. Dort, wo ich ganz ruhig bin“, erläuterte Bischof Wilmer.

Ins heutige Leben übersetzt, zitierte der hohe Geistliche die Mystikerin Madeleine Delbrêl (1904 – 1964), die gesagt hat, die Stimme Gottes könne sie auch in der Küche hören, wenn sie darauf warte, bis das Wasser in der Schüssel kocht.

Es lohnt sich also, aufgeschlossen zu sein, schlussfolgerten die Gäste. Den Prolog der Ordensregel Benedikts und die Übersetzung ins Heute nahmen sie gedanklich mit, als sie sich vom Schlosspark aus zur Prozession auf den Weg machten.

Blasorchester Albaxen intoniert Vitus-Tusch

Der Kirchenchor Höxter, Domorganist Dominik Balduin und das Blasorchester Albaxen gestalteten die liturgischen Feierlichkeiten musikalisch mit. Das Blasorchester intonierte zu Beginn des Pontifikalamts den vom ehemaligen Musikschulleiter Martin Leins komponierten Vitus-Tusch. Die festliche Fanfare hatte beim Vitusfest im Jubiläumsjahr 2023 Premiere.

Zelebranten und Mitwirkende der liturgischen Feierlichkeiten zu Ehren des Schutzpatrons des Corveyer Landes: Die Vitus-Feierlichkeiten haben Tradition seit 836.

Zelebranten und Mitwirkende der liturgischen Feierlichkeiten zu Ehren des Schutzpatrons des Corveyer Landes: Die Vitus-Feierlichkeiten haben Tradition seit 836.

Eine Premiere gab es 2024 auch: Die Festschrift zum Corvey-Jubiläum lag druckfrisch vor. Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek überreichte das Buch als Dank für sein Kommen dem Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer. Die Alleinstellungsmerkmale, die Corvey zum Welterbe adeln, zeigte Standortleitung Annika Pröbe dem Gast aus Hildesheim bei einer Führung zusammen mit Pfarrdechant Dr. Krismanek und Kirchenvorstand Josef Kowalski. Forschen, restauratorisch sichern und didaktisch erschließen: Annika Pröbe vermittelte dem Bischof Eindrücke von diesen spannenden Aufgaben an einem so besonderen, geschichtsträchtigen Ort.

Dieser trägt seit zehn Jahren den Welterbetitel. Beim Pfarrfest mit Live-Musik auf der Domänenhof-Wiese feierten die Menschen den besonderen Jahrestag. Viele nutzten auch die Gelegenheit zum Erwerb erster Exemplare der Festschrift.