Vorbild, Fürsprecher und ohne Fehl und Tadel: So vollkommen und entsprechend unerreichbar stellen sich viele Menschen die Stars der Kirche vor: die Heiligen. Vom ökumenischen Festgottesdienst zu Ehren eines dieser großen Glaubenszeugen, der Ansgar-Vesper in der Welterbestätte Corvey, ist jetzt ein dankbares, für die Menschen ermutigendes Bekenntnis ausgegangen: „Ich darf Teil der Gemeinschaft der Heiligen sein.“

Christiane Nadjé-Wirth, Superintendentin des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Holzminden-Bodenwerder, hielt zur Ansgar-Vesper in Corvey eine ermutigende Festpredigt. Fotos: Kirchengemeinde Corvey/Sabine Robrecht
Aus hoffnungsvollen Gedanken heraus hat Christiane Nadjé-Wirth, Superintendentin des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Holzminden-Bodenwerder, in ihrer Festpredigt vor voll besetzten Kirchenbänken dieses beflügelnde Resümee gezogen. Und den verehrten Kreis der großen Heiligen, im positiven Sinne, vom Sockel der Unerreichbarkeit geholt. Denn von Gott geheiligt seien nicht nur Ausnahmemenschen, sondern all jene, die sich von ihm getragen wissen – die ohne Glauben, Hoffnung und Liebe nicht leben wollen. Gott verbinde sich mit den Menschen. „Dadurch heiligt er uns und unser Leben.“ Nicht, weil wir so tadellos seien, sondern weil er uns mit seiner Liebe umfangen wolle.
Die „Gemeinschaft der Heiligen“ beschränke sich folglich nicht auf die von den Päpsten im Lauf der Jahrhunderte Heilig- und Seliggesprochenen der katholischen Kirche. In diesem Kontext richtete die Festpredigerin den Blick auf das Apostolische Glaubensbekenntnis. Darin bekennen die Christen beider Konfessionen innerhalb des Absatzes über den Heiligen Geist auch ihren Glauben an die „Gemeinschaft der Heiligen“, die Communio Sanctorum.
Paulus spricht Christen als „berufene Heilige“ an
Das Verständnis, dass diese die ganze Gemeinschaft der Christen umfasse, untermauere auch der Apostel Paulus: In seinem Römerbrief wendet er sich an die „berufenen Heiligen“. Er meint damit, wie er selbst erläutert, „alle in Rom, die von Gott geliebt sind“ (Röm 1,7). Auch im Korintherbrief (1,2) spricht er Christen direkt als „Geheiligte“, als „berufene Heilige“ an.
Diese Gemeinschaft geht, wie Christiane Nadjé-Wirth hervorhob, „über Zeit und Raum hinaus und verbindet uns auch mit jenen, die vor uns waren“. Also auch mit Ansgar, dem der Gottesdienst anlässlich seines Sterbetages (3. Februar) gewidmet war. Der Benediktinermönch gehörte 822 zu Corveys Gründungskonvent aus Corbie, leitete die erste Klosterschule der neuen Abtei und brach von dort aus zu seinen Missionsreisen nach Nordeuropa auf. Als Apostel des Nordens wird er bis heute verehrt. Und begegnete Christiane Nadjé-Wirth in der katholischen Kirche der Nordseeinsel Wangerooge buchstäblich auf Augenhöhe. Denn Ansgar „saß“ wie die beiden weiteren Heiligen der Inselgemeinde, Willehad und Nikolaus, in Gestalt einer massiven Holzstatue in einer Kirchenbank.

Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek, Leiter des katholischen Pastoralverbunds Corvey, begrüßte am Altar Geistliche verschiedener Konfessionen, unter ihnen Bischof Anba Damian vom koptisch-orthodoxen Kloster Brenkhausen.
Große Heilige als (Kirchen-)Banknachbarn
Aus pragmatischen Gründen, einer Kirchenrenovierung, waren die drei Heiligenfiguren von ihren Wandsockeln geholt und provisorisch in Bänken zwischengeparkt worden. Dort sind sie geblieben, weil die Menschen so begeistert waren. Christiane Nadjé-Wirth, die auf Wangerooge ein Seminar besuchte, ging in der Kirche mit den drei Heiligen auf Tuchfühlung. Diese (Bank-)Gemeinschaft mit ihnen hat sie nachhaltig beeindruckt und zu den Gedanken inspiriert, die sie den Gästen des Vespergottesdienstes an Ansgars Wirkungsstätte Corvey jetzt voller Herzlichkeit und Überzeugungskraft vermittelte. In der ehemaligen Abteikirche entfaltete sich durch ihre Worte das gute Gefühl, dass die „Gemeinschaft der Heiligen“ kein unerreichbarer Olymp großer Ausnahmepersönlichkeiten ist, sondern eine Gemeinschaft aller mit Gott verbundenen Menschen. Eines Sinnes sein, Frieden halten, miteinander teilen: Dieses Handeln in Gottes Sinne gelinge uns nicht immer. Trotzdem wolle Gott uns in seiner Liebe haben. Und mithin in der Gemeinschaft seiner Heiligen.

Die Gregorianik-Schola Marienmünster-Corvey gestaltete den festlichen Vesper-Gottesdienst zu Ehren des heiligen Ansgar in der ehemaligen Abteikirche Corvey mit.
Kraft des ökumenischen Gebets
Getragen von dieser Hoffnung hätten Ansgar und seine Mitbrüder vor mehr als 1200 Jahren an der Weser ein neues Kloster gegründet, betonte Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek, Leiter des den Gottesdienst ausrichtenden katholischen Pastoralverbunds Corvey. Er begrüßte um den Altar herum Geistliche verschiedener Konfessionen und dankte der Gregorianik-Schola Marienmünster-Corvey für die musikalische Gestaltung, mit der das Ensemble unter der Leitung von Hans Hermann Jansen das Festjahr zu seinem 25-jährigen Bestehen einläutete. Die Sängerinnen und Sänger trugen eindrücklich dazu bei, dass von dem Gottesdienst zu Ehren Ansgars wie jedes Jahr die Kraft des ökumenischen Gebets ausging.