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Kunstvolles Kleinod erinnert an Corveys zweite Blüte

By 15. November 2024No Comments

Abt Wibald von Stablo (amt. 1146 – 1158) hat in Corvey weithin sichtbare Spuren hinterlassen. Er baute das 873 bis 885 errichtete karolingische Westwerk zur Zweiturmanlage, wie wir sie kennen, um und führte das Benediktinerkloster am Weserstand zu einer zweiten Blüte. In der glanzvollen Sonderschau „Corvey und das Erbe der Antike“ im Diözesanmuseum Paderborn ist diesem neuen Aufschwung und seinem Motor, dem einflussreichen Klostervorsteher und Gelehrten, eine eigene Ausstellungseinheit gewidmet.

Kuratorin Christiane Ruhmann, Generalvikar Thomas Dornseifer, Ingo Tiemann und Andreas Trotz (v.l.) als Vertreter der Stiftungen der Sparkasse Paderborn-Detmold-Höxter nehmen den berühmten Abtsstab in ihre Mitte. Foto: Thomas Throenle/Erzbistum Paderborn

Unter den Exponaten in Paderborn gehören Fragmente des Abtsstabs von Wibald von Stablo: die untere Stabspitze, der Knauf mit zwei Metall-Tüllen sowie die Spitze der gebogenen Krümme.  Diese Überreste können noch nicht lange bei Ausstellungen präsentiert werden. Denn der Abtsstab war eine Grabbeilage für den bedeutenden Kirchenmann, Gelehrten und politischen Berater gewesen. Und Wibalds Grab ist erst 1994 bei Ausgrabungen auf dem Gelände der ehemaligen Abteikirche des Benediktinerklosters Stablo (frz. Stavelot) im heutigen Belgien entdeckt worden. 

Bei diesem Sensationsfund trat unter den Grabbeilagen sein kunstvoll gestalteter Abtsstab zutage, der sich heute im Besitz des Abteimuseums in Stablo (Musée Abbaye de Stavelot) befindet. Die aus Holz gefertigten Elemente wie Schaft und Krümme fehlen. Sie haben sich im Laufe der Jahrhunderte aufgelöst.

Die kunstvollen Fragmente, die sich erhalten haben, beschreiben die Paderborner Ausstellungsmacher fachkundig: Elegant läuft die bronzene Spitze der Krümme in einem fein gestalteten Pinienzapfen aus. Auf dem wunderschön gestalteten, emaillierten Kugelkopf sind Fächerbögen zu sehen, und die vergoldeten Tüllen tragen eine lateinische Inschrift, übersetzt: ‘Das Gesetz erlaubt, dass man zürnt, aber es will, dass man im Zorn Erbarmen hat; daher sei der Schrift eingedenk: Weise zurecht, [aber] schone!’

Vernetzt mit Herrschern

Als Teil der Sonderausstellung anlässlich des 1200-jährigen Gründungsjubiläums des Klosters Corvey, Wibalds einstiger Wirkungsstätte, ist der Abtsstab nun erstmals in Deutschland zu sehen. Die Ausleihe dieses bedeutenden Stückes ermöglichten die Stiftungen der Sparkasse Paderborn-Detmold-Höxter durch ihre großzügige Unterstützung der Ausstellung „Corvey und das Erbe der Antike“ (bis 26.01.2025) im Diözesanmuseum Paderborn.

Abt Wibald von Stablo und der zweiten Blüte Corveys ist eine eigene Ausstellungseinheit gewidmet. Zu den Exponaten gehört der Liber Vitae aus dem Kloster Corvey. Der Codex stammt aus der Zeit um 1154. Fotos: Sabine Robrecht

Blick auf zwei Medaillons und metallene Leisten mit Inschriften: Sie sind Überreste des kostbaren, als Goldschmiedearbeit ausgeführten  Remaklus-Retabels in der Abteikirche von Stablo. Die Medaillons können in die Jahre zwischen 1148 und 1150 datiert werden.

Dort sehen die Gäste in Erinnerung an den großen Gottesmann auch Überreste des kostbaren, als Goldschmiedearbeit ausgeführten Remaklus-Retabels der Benediktinerabteikirche Stablo. Und den Liber Vitae aus dem Kloster Corvey. Der Codex stammt aus der Zeit um 1154. „Die Gesamtanlage der Handschrift mit ihren drei Teilen steht offenbar in Zusammenhang mit der Rangerhöhung Abt Wibalds mit bischöflichen Insignien 1154 und 1155 durch die Päpste Anastasius IV. und Hadrian IV”, erfahren die Ausstellungsbesucher. Auch sehen sie das bedeutende Briefbuch Wibalds. Dieses enthält auf 332 Seiten eine Sammlung von 451 Briefen aus den Jahren zwischen 1146 und 1157. In dieser Zeit hatte der Gottesmann und weitgereiste Diplomat die Abtswürde von Stablo-Malmedy inne (seit 1130) und war gleichzeitig Abt in Corvey. Zur Verwaltung der zwei entfernt voneinander liegenden Klöster legte Wibald mit dem Briefbuch eine Art tragbares Archiv an. Es umfasst nicht nur seine eigene Korrespondenz, sondern auch urkundliche Schriftstücke und Briefe Dritter zu verschiedenen Angelegenheiten. Die Schreiben dienen Historikern als wichtige Quelle für die Geschichte der frühen Stauferzeit.

Auf Betreiben des Staufer-Herrschers Konrad III. war Wibald 1146 zum Abt des bedeutenden, allerdings reformbedürftigen und in eine wirtschaftliche Schieflage geratenen Weserklosters Corvey gewählt worden. Als Diplomat und Ratgeber der Herrscher hatte er politischen Einfluss. Dieser kam Corvey zugute. Wibald von Stablo führte die Benediktinerabtei zu einer neuen Blüte. Er baute das Westwerk zu seiner heutigen zweitürmigen Form um und stockte es um das Glockengeschoss auf. Außerdem machte er verloren gegangene Besitzrechte erneut geltend und leitete einen konsequenten Reformkurs ein. Die gute Beziehung zu den jeweiligen Herrschern hielt der hochgebildete Ordensmann aufrecht. Das nutzte auch dem nahegelegenen Höxter. So gestattete Kaiser Friedrich I. Barbarossa 1152 den Wiederaufbau der zerstörten Stadtmauer.

Die Doppelturmfassade des karolingischen Westwerks ist das Gesicht der Welterbestätte Corvey. Abt Wibald von Stablo baute das Westwerk zu seiner heutigen zweitürmigen Form um und stockte es um das Glockengeschoss auf.

Bibliothek lag ihm am Herzen

„Doch vor allem lagen dem wirkmächtigen und belesenen Abt Wibald von Stablo die einst berühmte Bibliothek des Klosters und das Skriptorium am Herzen”, berichten die Ausstellungsmacher in Paderborn. „Er lieh Texte antiker Autoren von anderen Klöstern aus und ließ sie in Corvey abschreiben.” Ein Lieblingsvorhaben des Abtes war es, alle erreichbaren Schriften des römischen Dichters Cicero in einem Band zusammenzustellen, damit sie nicht verloren gehen. Mit dem ihm eigenen diplomatischen Geschick schickte er erfolgreich Leihanfragen an viele Bibliotheken raus und sammelte Material für eine Abschrift aller damals erreichbaren Werke Ciceros. Das Ergebnis – der wohl 1149 bis 1155 geschriebene Cicero-Kodex – hat sich bis heute in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin erhalten. Aus konservatorischen Gründen ist die Handschrift nicht ausleihbar. In Paderborn können die Gäste an einer Medienstation ausgewählte Seiten dieses einzigartigen Buches betrachten und in die sorgfältig abgeschriebenen Cicero-Texte hineinlesen.

www.erbe-der-antike.de

www.dioezesanmuseum-paderborn.de