Jubiläum

Hommage an die Visionen Fallerslebens

By 4. Oktober 2023März 6th, 2024No Comments

Auf die Melodie eines Streichquartetts von Haydn schrieb August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1841 das „Lied der Deutschen“. In Zeiten der Kleinstaaterei wollte er den Flickenteppich der deutschen Lande in „Einigkeit und Recht und Freiheit“ vereint sehen. Am Ort, wo er begraben liegt – Corvey –, und an einem Gedenktag, der die Einheit Deutschlands feiert, rückte der Dreiklang dieser staatstragenden Grundwerte nun in den Fokus.

Vereinigte Chöre aus der Region und aus Zeitz in Sachsen-Anhalt und das Detmolder Kammerorchester gestalteten die festliche Vesper zum Tag der Deutschen Einheit in der Abteikirche Corvey. Fotos: Kirchengemeinde Corvey/Sabine Robrecht

Vereinigte Chöre aus der Region und aus Zeitz in Sachsen-Anhalt und das Detmolder Kammerorchester gestalteten die festliche Vesper zum Tag der Deutschen Einheit in der Abteikirche Corvey. Fotos: Kirchengemeinde Corvey/Sabine Robrecht

Das Netzwerk Klosterlandschaft OWL mit Projektleiter Hans Hermann Jansen nimmt den Tag der Deutschen Einheit alljährlich zum Anlass, die beliebte Reihe musikalischer Vespern in der ehemaligen Abteikirche des Benediktinerklosters und heutigen Weltkulturerbes Corvey bei Höxter zu beschließen. Im Jahr seines 225. Geburtstags geriet die festliche Stunde zur Hommage an August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874). Der Schriftsteller, Freiheitskämpfer und Dichter auch weltberühmter Kinderlieder hatte 1860 nach Jahren entbehrungsreichen Wanderlebens im Exil beim ersten Herzog von Ratibor in Corvey eine Stelle als Bibliothekar gefunden. In seinen letzten Lebensjahren verhalf er der Fürstlichen Bibliothek zu Umfang, qualitativem Glanz und mithin zu ihrer heutigen Berühmtheit.

Professor Dr. Friedhelm Flamme gestaltete die Vesper zum Tag der Deutschen Einheit an der Barockorgel mit.

Professor Dr. Friedhelm Flamme gestaltete die Vesper zum Tag der Deutschen Einheit an der Barockorgel mit.

Das Frauenvokalensemble „canta filia“ intonierte die Friedensbitte „Deep peace“ von Bill Douglas.

Das Frauenvokalensemble „canta filia“ intonierte die Friedensbitte „Deep peace“ von Bill Douglas.

Die Bibliothek in den Räumen des Schlosses umfasst annähernd 75.000 Bände. In den Salons bleiben die Gäste vor den imposanten etwa 200 Bücherschränken, aber auch vor dem Arbeitszimmer Hoffmanns bewundernd stehen.

Auf dem Friedhof neben der Abteikirche liegt er begraben. Für das schlichte Doppelgrab des Dichters und seiner Frau Ida wurde 37 Jahre nach dessen Tod eine Bronzebüste auf einem Steinsockel geschaffen. Auf sie gehen die Gäste, wenn sie aus der Tür der Erdgeschosshalle des karolingischen Westwerks zum Friedhof kommen, sofort zu.

Unweit vom Fallersleben-Grab, im Innern der Kirche, erklang nun während der Vesper zum Tag der Deutschen Einheit auch das melodiegebende Streichquartett der heutigen Nationalhymne in C-Dur von Haydn. Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek hatte Hoffmanns Vision von „Einigkeit und Recht und Freiheit“ zuvor in seiner Ansprache als das eingeordnet, was dieser denkwürdige Gottesdienst zur Entfaltung bringen wollte: „Harmonia pacis“ – Klänge vom Frieden.

Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek zelebrierte die Vesper zum Tag der Deutschen Einheit.

Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek zelebrierte die Vesper zum Tag der Deutschen Einheit.

Der Dreiklang der Nationalhymne, Einigkeit und Recht und Freiheit, sei „Grundlage für unser gesellschaftliches Zusammenleben“. Die Einigkeit beruhe auf der ins Grundgesetz eingegangenen Auffassung, dass jeder Mensch die gleiche, unantastbare Würde habe. Um diesen Grundkonsens zu schützen, bedürfe es des Rechts. Wobei die „Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren“ der Maßstab sei. Denn vor dem Gesetz sei jeder Mensch gleich, zitierte der Pfarrdechant die zugrundeliegende Rechtsauffassung. Theologisches Fundament seien die zehn Gebote.

Die Freiheit – ein hohes Gut – sei zu Hoffmanns Zeiten nicht selbstverständlich gewesen. Freiheit bedeute, dass Menschen ihre Entscheidungen eigenverantwortlich treffen können. Theologisch ordnete der Geistliche den Freiheitsbegriff im Sinne Jesu mit Freimütigkeit und Unvoreingenommenheit anderen Menschen gegenüber ein. Dann zitierte er wieder den Text der Nationalhymne: „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand“: Je mehr es gelinge, ein Leben aus diesem Geist zu führen, „desto schöner können die Klänge des Friedens – Harmonia pacis, erklingen“.

Das taten sie vor der prachtvollen Kulisse der Abteikirche. Vereinigte Chöre aus Detmold, Lage und Zeitz, das Frauenvokalensemble „canta filia“ unter Leitung von Barbara Grohmann-Kraaz, die Gregorianik-Schola Marienmünster-Corvey, das Kammerensemble des Detmolder Kammerorchesters unter der Leitung von Hans Hermann Jansen und Professor Dr. Friedhelm Flamme an der historischen Andreas-Schneider-Orgel gestalteten ein ansprechendes Musikprogramm.

Text: Sabine Robrecht

Das Grabmal Hoffmann von Fallerslebens auf dem Friedhof neben der Abteikirche Corvey.

Das Grabmal Hoffmann von Fallerslebens auf dem Friedhof neben der Abteikirche Corvey.