Die Aussendung des Heiligen Geistes nach Jesu Auferstehung und Himmelfahrt vor mehr als 2000 Jahren – Pfingsten – war die Geburtsstunde der christlichen Kirche. Ein Feuer war entfacht. Und die Jünger Jesu waren die ersten Fackelträger.
Die unaufhaltsame Ausbreitung dieses Glaubensfeuers vergegenwärtigte Josef Kowalski, geschäftsführender Vorsitzender des Kirchenvorstandes der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus Corvey, an einem Ort, wo die Flamme seit fast 945 Jahren beständig leuchtet: dem Heiligenberg bei Ovenhausen.
Anlass waren die Pfingstfeierlichkeiten, die diese Naturidylle rund um die 1079 von Corveyer Mönchen gegründete Michaelskapelle Jahr für Jahr am zweiten Feiertag mit Leben und Esprit erfüllen. Inmitten frischen Maigrüns und untermalt vom Gesang der Vögel offenbarte sich, dass es die Fackelträger, von denen Brigadegeneral a.D. Josef Kowalski in seiner Festpredigt so eindrücklich sprach, auch heute noch gibt. Denn sie sind es, die Zeit, Energie und Glaubenskraft investieren, um diesen impulsgebenden Pfingstgottesdienst und das Beisammensein im Anschluss organisieren, vorbereiten und ausgestalten.
Glaubenszeugnis mobilisiert
Hunderte Menschen aus dem ganzen Pastoralverbund und darüber hinaus nehmen die Einladung des Kirchenvorstands und des Pfarrgemeinderats der Kirchengemeinde Ovenhausen zu den Pfingstfeierlichkeiten auf dem Heiligenberg immer gerne an. Das Glaubenszeugnis der Festprediger dieses Leuchtturm-Angebots mit überörtlicher Strahlkraft richtet die Zuhörenden auf inspirierende Weise in ihrem inneren Kompass aus – so wie dieses Hochfest es intendiert. Pfingsten soll bewegen, mobilisieren, mitreißen und wieder neu begeistern.
Diese Dynamik hat der Festprediger 2023, Josef Kowalski, mit seiner Ansprache entfacht. Denn er hat ausgehend vom ersten Pfingstfest nach Jesu Auferstehung 2000 Jahre Glaubensgeschichte nicht nur mit Daten und Fakten, sondern immer und in erster Linie auch mit Menschen verknüpft. Sie sind es, die beseelt, überzeugt und mit unbeugsamem Bekennermut auch gegen Widerstände und bei Gefahren für ihr Leben das Evangelium verkündeten.
Göttliches Betriebssystem
Die treibende Kraft, den Heiligen Geist, bezeichnete Josef Kowalski als das „göttliche Betriebssystem“. So hatte Dirk Gellesch, Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen, das Pfingstwunder vor einigen Jahren in ein technisches und heutzutage umso einleuchtenderes Bild gekleidet. Gott habe den Jüngern seinen Geist geschenkt. Damit sei in ihnen das Betriebssystem angesprungen.
Dieses Betriebssystem, so Josef Kowalski, habe aus dem christlichen Glaubensfeuer ein Flächenfeuer gemacht, das 800 Jahre nach der Initialzündung durch die Apostel und Jünger Jesu auch die Weser erreicht habe: Mönche aus Corbie – „Überzeugungstäter und wirkmächtige Glaubensmänner“ – gründeten im Jahr 822 „erfüllt vom göttlichen Betriebssystem des Heiligen Geistes“ das Kloster Corvey.
Auf profundes Wissen zurückgreifend, ließ der exzellente Corvey-Kenner Josef Kowalski die Geschichte dieses Welterbes und Leuchtturms der Christenheit von der Klostergründung 822 und der Blütezeit als Missions- und politisches Machtzentrum im 9. bis 12. Jahrhundert bis hin zum Dreißigjährigen Krieg und dem darniederliegenden Klosterleben, zur erneuten Blüte nach dem barocken Wiederaufbau, zum Ende der benediktinischen Tradition durch die Überführung in ein Fürstbistum 1794 und schließlich bis hin zur Säkularisation wenige Jahre später Revue passieren. Der Festredner erinnerte daran, dass „in schwierigen Zeiten immer wieder Lichtgestalten und Schlüssel-Persönlichkeiten präsent waren, die durch das ‚göttliche Betriebssystem‘ geleitet, sich den Menschen in der Not zuwandten und das christliche Glaubensfeuer lebendig hielten“.
Gelebte Ökumene
Das sei auch der Fall gewesen, als Christoph Bernhard von Galen 1674 mit seinem Gnadens- und Segens-Rezess den Kirchenstreit in Höxter, der Hauptstadt der damaligen Fürstabtei Corvey, beendete. „St. Kiliani und St. Petri bleiben protestantisch, St. Nikolai und St. Marien werden wieder katholisch. Parität also“, berichtete Josef Kowalski. „Religiöser Friede kehrte ein.“ Diese weise Entscheidung könne man als „Beginn der in unserer Stadt Höxter wunderbar gelebten Ökumene beurteilen“, sagte der Festprediger. Beispiele seien die jährliche Ansgar-Vesper in Corvey und auch die Pfingstfeierlichkeiten auf dem Heiligenberg, bei denen auch jetzt wieder der evangelische Pfarrer Tim Wendorff und der Gemeindereferent der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde am Knüll, Heinrich Esau, die Fürbitten vortrugen.
Corvey und sein „Patenkind“, die von Mönchen der Abtei begründete Heiligenbergkapelle, seien „besondere Erfahrungsorte für das immer wieder kostenlose Nachtanken von Gottvertrauen und innerer Glaubens-Überzeugung“. „Corvey ist seit 1200 Jahren ein ausstrahlendes, ansteckendes Leuchtfeuer des Glaubens, ein Segensort, eine göttliche Kraftquelle, ein Erlebnisort und eine E-Ladesäule des ‚göttlichen Betriebssystems‘.“
„Wir alle sind gefordert”
Die Zeit heute sei nicht leicht. Angesichts gestiegener Kirchenaustritte sei eine Entkirchlichung der Gesellschaft festzustellen. Beide großen Kirchen müssten sich von Gebäuden trennen. Auch im katholischen Pastoralverbund Corvey sinke die Zahl der Priester. „Wir alle sind daher gefordert“, appellierte Kowalski. Das Ehrenamt unter anderem in Gremien wie den Kirchenvorständen und Pfarrgemeinderäten sei wichtiger denn je. „Wir müssen die jüngere Generation überzeugen und alles dafür tun, dass es nicht zu einer Entchristlichung der Gesellschaft kommt. Denn das würde die Balance unserer Gesellschaft gefährden.“
„Nutzen wir die Kraftquellen Corvey und Heiligenberg“, regte der Festredner an. Vor allem aber gelte es, mutig und entschlossen zu sein – und getragen vom unerschütterlichen Gottvertrauen des protestantischen Märtyrers Dietrich Bonhoeffer, dem er so wunderbar Ausdruck verlieh in seinem Text „Von guten Mächten (dem ‚göttlichen Betriebssystem‘, Josef Kowalski) wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen. Und ganz gewiss an jedem neuen Tag“.
Die musikalische Umrahmung der Festmesse übernahmen die Blaskapelle Ovenhausen und die Männergesangvereine aus Bosseborn und Ovenhausen. Die Blaskapelle sorgte beim anschließenden Beisammensein für Unterhaltung.
Text: Sabine Robrecht