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Neue Wege in die Herzkammer

Neue Wege führen demnächst in den Johanneschor. Die Herzkammer des Welterbes im Obergeschoss des karolingischen Westwerks wird barrierefrei erschlossen und künftig nicht mehr über den mittelalterlichen Treppenturm zu erreichen sein. So wie Rom nicht in einem Tag erbaut wurde, lässt sich auch dieses wegweisende Bauprojekt natürlich nicht von heute auf morgen umsetzen. Ende 2023 könnte es realisiert sein.

Architekt Jürgen Schimmelpfeng erläutert anhand eines Modells die Planungen für die neue Zuwegung zum Johanneschor. Fotos: Kirchengemeinde Corvey/Sabine Robrecht

Blick auf das Modell von Jürgen Schimmelpfeng:  Es veranschaulicht, wie das direkt an das Westwerk angrenzende Domänengebäude für den neuen Zugang zum Johanneschor umgebaut werden soll.

Wie bedeutend das herausfordernde Großvorhaben für die touristische Erschließung der Welterbestätte am Weserbogen bei Höxter  ist, verdeutlicht das finanzielle Engagement des Landes Nordrhein-Westfalen: Aus der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur” fließen 4,5 Millionen Euro Fördermittel in das Projekt. Wirtschaftsstaatssekretär Christoph Dammermann hat kurz vor der Landtagswahl gemeinsam mit Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl den Förderbescheid übergeben.

Förderbescheid-Übergabe vor der Kulisse des Westwerks: Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl (von links), Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey, Staatssekretär Christoph Dammermann, Generaldirektor Michael Funk, Landtagsabgeordneter Matthias Goeken und Kirchenvorstand Josef Kowalski.

Diesem wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung sind umfassende Beratungen und Expertenrunden vorausgegangen. Denn es galt, bei der Schaffung des direkten Zugangs zum Johanneschor vom angrenzenden barocken Domänengebäude aus keine karolingische Substanz zu gefährden. Dieses Ziel ist erreicht worden, wie die vorliegende Machbarkeitsstudie zeigt.

Jürgen Schimmelpfeng aus Bad Arolsen, Architekt der Machbarkeitsstudie, erläuterte bei der Übergabe des Förderbescheids anhand eines Modells die Planungen. In den an das Westwerk angrenzenden Domänengebäuden sollen ein Fahrstuhl und eine Treppenanlage eingebaut werden. Der Aufzug ist für Menschen gedacht, die auf den Rollstuhl oder den Rollator angewiesen sind oder einen Kinderwagen dabeihaben. Wer gut zu Fuß ist, kann die Treppe nehmen.

Für den Durchbruch in den Johanneschor greifen die Planer auf eine zugemauerte Öffnung zurück, die aus der Erbauungszeit der Barockorgel stammt. Diese war 2010 bei einer Bauaufnahme mit dem renommierten Corvey-Forscher Professor Dr. Uwe Lobbedey gefunden worden.

Grundsätzlich wird der Johanneschor zukünftig nur noch über diesen neuen Eingangsbereich erschlossen. Das heißt, die Gäste kommen wie gehabt durch das Hauptportal des Westwerks herein. Der Weg führt sie dann durch die Tür zum Friedhof in den neuen Zugangsbereich zum Johanneschor.

Auch im Johanneschor erläuterte Architekt Jürgen Schimmelpfeng die Planungen.

Entlang der Domäne entsteht in Gestalt eines modernen gläsernen Anbaus eine so genannte Klimapassage. Sie fängt die klimatischen Unterschiede zwischen drinnen und draußen ab. „Wir errichten diesen Anbau reversibel, so dass man ihn zurückbauen kann, wenn es neue Erkenntnisse gibt“, berichtet Architekt Jürgen Schimmelpfeng.

Über diese Planungen für das einzige Welterbe in Westfalen haben sich Staatssekretär Dammermann und Regierungspräsidentin Thomann-Stahl vor Ort ein Bild machen können. Corvey sei ein Tourismus-Magnet, dessen Außenwirkung mit Hilfe der Fördermittel aus der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe gesteigert werden könne, so der Gast aus Düsseldorf. Die Regierungspräsidentin brachte ihre Freude zum Ausdruck, dass eine jahrelange Vorarbeit zu einem glücklichen Ende geführt habe. Dank galt dem Landtagsabgeordneten Matthias Goeken, der dem Kreis Höxter und OWL insgesamt in Düsseldorf eine Stimme gebe.

„Wir versprechen uns von der Förderung, dass wir die Welterbestätte attraktiver machen können“, betonte Michael Funk, Direktor der Herzog von Ratibor‘schen Generalverwaltung, im Namen des herzoglichen Hauses und der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus. Josef Kowalski, geschäftsführender Vorsitzender des Kirchenvorstandes, bekräftigte den gemeinsamen Dank an die Landesregierung und die Bezirksregierung und schloss aber auch nachdrücklich das Erzbistum Paderborn ein. Es stehe an der Seite der Kirchengemeinde, die die Erschließung des Westwerks ohne diesen Rückhalt nicht schultern könnte.

Professor Dr. Christoph Stiegemann (rechts) weckte Vorfreude auf die Planungen zur multimedialen Erschließung des Westwerks, die Corvey nachhaltig nach vorne bringen wird.

Professor Dr. Christoph Stiegemann, Leiter des wissenschaftlichen Kompetenzteams der Kirchengemeinde, öffnete ein Fenster ins Jubiläumsjahr „1200 Jahre Corvey“ und in die vielversprechenden Planungen zur multimedialen Zeitreise in Corveys große Geschichte.

„Kulturstolperer” wichtige Zielgruppe

Diese Erschließung mit Hilfe moderner Technologien steigere die touristische Anziehungskraft der Welterbestätte ebenfalls, betonte Staatssekretär Dammermann. Denn ohne Digitalisierung gehe im Tourismus nichts mehr. Eine wichtige Zielgruppe im touristischen Marketing seien die so genannten „Kulturstolperer”, erläuterte der Staatssekretär. Diese Gäste kommen beispielsweise als Radfahrer ins Weserbergland und „stolpern” unterwegs über Corvey, das sie dann selbstverständlich in ihre Tour einbauen.