Die Inventur des Inventars

Deborah Zarnke leistet Grundlagenarbeit im Team des Welterbes Westwerk Corvey. Einer der Zuständigkeitsbereiche der Archäologin und Kunsthistorikerin ist die Inventarisierung der Fundstücke, die so viel über die Geschichte des Ortes erzählen können. Mit Geduld und Akribie teilt sie ein, ordnet zu und systematisiert die oft sehr kleinen Schätze aus dem Mittelalter und aus späteren Jahrhunderten.

Corveyer Wandmalereifragmente, Foto: Deborah Zarnke

Corveyer Wandmalereifragmente, Foto: Deborah Zarnke

 

Die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit fließen ein in die geplante Visualisierung der Vergangenheit Corveys. Damit zukünftige Besucher einen Eindruck von der karolingischen Architektur und vom Leben in der alten Reichsabtei bekommen, sollen multimediale Inszenierungen das Westwerk lebendig werden lassen. Damit das gelingt, muss ein Drehbuch geschrieben werden. Dabei soll aber nichts fiktiv sein, die Basis für die virtuelle Erschließung des Welterbes sind die Erkenntnisse ganz realer wissenschaftlicher Forschung.

Deborah Zarnke gibt einen kleinen Einblick in ihre Arbeit:

  

Der Blick in den Boden

 Glasmalerei, Foto: Deborah Zarnke

Glasmalerei, Foto: Deborah Zarnke

„Seit Jahrzehnten steht Corvey im Fokus archäologischer Untersuchungen. Wann immer sich die Gelegenheit bot, einen Blick in den Boden zu werfen – ohne das Bauwerk mehr Strapazen auszusetzen als nötig oder gar historische Substanz zu beschädigen – wurden entsprechende Ausgrabungen vorgenommen. Viele Forscher zog es auf diese Weise zur Welterbestätte, deren Untersuchungen für uns heute die Basis bilden, aufgrund derer wir Corvey und speziell das Westwerk künftigen Besuchern näherbringen möchten. Neben zahlreichen wichtigen Erkenntnissen und Diskussionsansätzen haben die Untersuchungen allerdings auch eines hinterlassen: Material. Fundmaterial, das es zusammenzutragen und systematisch zu inventarisieren gilt, um einen endgültigen status quo zu schaffen.

Knochen, Glas und Wandputz erzählen Geschichten

Im Sommer 2016 haben wir damit begonnen, das auf diverse Standorte verteilte Material zu erfassen. Für jedes einzelne Objekt wurden der Standort notiert, die Verpackungsausmaße erfasst, eine Inventar- und Fundnummer vergeben, eine kurze Beschreibung verfasst, Altnotizen

Ein „himmlischer Arbeitsplatz“ in der oberen (nicht öffentlich zugänglichen) Etage des Westwerks Corvey, Foto: Deborah Zarnke

Ein „himmlischer Arbeitsplatz“ in der oberen (nicht öffentlich zugänglichen) Etage des Westwerks Corvey, Foto: Deborah Zarnke

von Fundzetteln o. Ä. festgehalten und ein kurzer Verweis angelegt, ob besagtes Objekt bereits publiziert ist. Das alles wurde in eine Excel-Datenbank eingetragen und steht jetzt für die Auswertung zur Verfügung. Außerdem wurden von allen Objekten Gruppen- und/oder Detailfotos angefertigt – insgesamt bisher mehr als 5.000 Stück. Da die Funde aus allen Epochen und unterschiedlichen Bauzonen Corveys stammen, ist unter ihnen alles vertreten: Knochen, Glas, Wandputz, Keramik, Metall … Daher besteht der nächste Schritt darin, das Material nach der Relevanz für das Westwerk zu filtern und entsprechend zu markieren.

Nun können wir, z. B. auf der Suche nach einem passenden Ausstellungsstück, die Datenbank und das entsprechende Foto zu Rate ziehen, bevor wir uns auf den langen Weg in ein Magazin machen.“

Deborah Zarnke, Foto: Birgit Giering-Ress, lichtgestalterin.de

Deborah Zarnke, Foto: Birgit Giering-Ress, lichtgestalterin.de

Deborah Zarnke M.A. (geb. 1985) studierte Ur- und Frühgeschichte, Kunstgeschichte und Lateinische Philologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Schwerpunkte ihres Studiums waren die frühe Stadtentwicklung in Deutschland und die sakrale Baukunst der Romanik. Zudem promoviert sie aktuell über die kritische Auseinandersetzung mit musealer Konzeptionierung. Zuletzt war sie Projektleiterin des Projekts „Landwehren in Westfalen“ bei der Altertumskommission für Westfalen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Seit dem Sommer 2016 ist Deborah Zarnke freiberuflich tätig und ist neben ihrer Arbeit für das Welterbe Westwerk Corvey Inhaberin eines eigenen Redaktionsbüros.