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Klosterruine und Gotteshäuser im Wald

By 2. April 2020Oktober 14th, 2020No Comments

Die Strahlkraft Corveys reicht weit in die Welt hinaus. Aber auch ihr unmittelbares Umfeld haben die Gottesmänner der einstigen Benediktinerabtei nachhaltig geprägt.  Auf drei sehenswerte Beispiele – die Heiligenbergkapelle zwischen Ovenhausen und Lütmarsen, den Weinberg bei Höxter mit seinem kleinen barocken Gotteshaus und die frühere Propstei „tomRoden“ – richten wir in diesem Beitrag den Blick.

Die Weinbergkapelle.

Diese besonderen Orte sind allesamt lohnende Ausflugsziele – auch für die Zeit des Kontaktverbots während der Corona-Pandemie. Wer diese Kleinode erkundet, begibt sich auf spirituelle, aber auch unternehmensstrategische Spuren der Benediktinermönche aus Corvey. Wirtschaftliche Erfolge führten die Ordensmänner nämlich im Schilde, als sie unter Fürstabt Christoph von Bellinghausen 1680 am Südosthang des Räuschenberges oberhalb der heutigen B64 am Ortsausgang  Höxters einen Weinberg anlegten.

Kurzer Erfolg

Der Erfolg war aber nur von kurzer Dauer, weil die Ernten unter anderem aufgrund klimatischer Veränderungen zu wünschen übrig ließen. Begonnen hatten die Mönche mit dem Weinbau wohl schon im Mittelalter, allerdings nicht am Räuschenberg.  Abt Widukind von Corvey (1189 – 1203) hatte am Südhang des Bielenbergs westlich von Höxter einen Weinberg errichten lassen.

Das Portal der Weinbergkapelle.

Eindrucksvolles  Zeugnis der späteren Weinbaugeschichte Corveys am Räuschenberg ist die 1689/90 erbaute St. Josef-Kapelle im Wald – ein barockes Kleinod, dessen Eingangstür von Trauben aus Stein schmuckvoll gerahmt ist. In der Kapelle kamen die Weinbauer dem geistlichen Teil der Benediktsregel „Ora et labora“ (bete und arbeite) nach. Das kleine barocke Gotteshaus erinnert heute daran  und bildet den Startpunkt des ökumenisch-biblischen Weinpfads mit  sieben Buchstationen.

Dieser rund drei Kilometer lange Rundweg macht die Wanderer mit der Corveyer Weinbaugeschichte und der Bedeutung der ehemaligen Reichsabtei, aber auch mit den Botschaften der Bibel vertraut. Bezüge bietet wiederum der Wein, der in der Heiligen Schrift als Symbol der Lebensfreude und der Nähe Gottes gilt. Wer an den Buchstationen des Weinpfads inne hält, bereichert nicht nur sein Wissen sondern erhält auch spirituelle Impulse.

Ausblicke auf Corvey

Die an vielen Stellen möglichen Ausblicke auf Corvey unterstreichen die Spiritualität dieses Weges. Wie ein Fels in der Brandung muten das einzigartige karolingische Westwerk und die gewaltigen Barockbauten an, die beim Wiederaufbau nach den Zerstörungen des 30-jährigen Krieges von 1667 an entstanden sind. Gebaut für die Ewigkeit und zum Lobe Gottes: Die Würde, die Corvey ausstrahlt, verleiht den Gedanken der Wanderer Flügel.

Blick auf Corvey vom Weinberg aus.

Auf ihrem weiteren Weg entlang weiter Wiesen und Obstplantagen eröffnet sich den Ausflüglern dann schließlich ein neues Kapitel Corveyer Weinbaugeschichte. Weinfachmann Michael Rindermann und seine engagierten Mitstreiter haben es nach 300 Jahren an historischer Stelle mit Rebstöcken erfolgreich aufgeschlagen.

Klosterruine erzählt Geschichte

Sowohl vom Weinberg, als auch vom zweiten Ausflugsziel, der ehemaligen Benediktinerpropstei „tom Roden“ am Rand des Gewerbegebiets „Zur Lüre“ in Höxter, ist Corvey direkt zu sehen. Ein Mönch aus der damaligen Abtei im Weserbogen wird 1244 als Propst von „tom Roden“ genannt.

Die Fundamente der um 1150 erbauten und 1538 aufgelösten Klosteranlage schlummerten jahrhundertelang im Boden. Bei Ausgrabungen des westfälischen Amtes für Bodendenkmalpflege von 1976 bis 1980 wurden die Fundamente freigelegt und später unter der Ägide der Stadt Höxter aufgemauert.

Die aufgemauerten Kirchenfundamente der Propstei „tom Roden“.

Nicht nur die Klosterkirche St. Maria Magdalena ist in ihren Umrissen erkennbar. Auch von den übrigen Gebäuden, Brunnen und Gräben können sich die Besucher ein Bild machen – und dabei den Blick immer wieder auf das nahe Corvey richten.

„tom Roden“ („Zur Rodung“), dessen Name auf die hochmittelalterliche Landgewinnung in der Lüre zurück geht, ist ein beliebtes Ausflugsziel, das bei Kindern die Phantasie anregt und Abenteuerlust weckt. Sie erkunden die Mauern, verstecken sich in Nischen und stellen sich vor, wie es wohl war, im Mittelalter zu leben.

Als Ort des Glaubens lassen die Kirchenfundamente diese reizvolle Klosterruine in einem Licht erscheinen, das die Menschen zum Innehalten einlädt.

Spiritueller Ort am Jakobsweg

Die Heiligenbergkapelle. Fotos: Sabine Robrecht

Zur Ruhe kommen können die Menschen auch auf dem Heiligenberg zwischen Ovenhausen und Lütmarsen. Im Jahr 1079 legten Ordensmänner aus Corvey den Grundstein für die Michaelskapelle inmitten der Natur. Dieser besondere Glaubensort zieht alljährlich am Pfingstmontag – zur Festmesse mit Gastprediger – die Menschen zu Hunderten an. Die katholische Kirchengemeinde Ovenhausen erfüllt die Kapelle mit regem Glaubensleben.

Viele Menschen suchen diesen spirituellen Ort aber auch ohne konkreten Anlass auf, um Gott zu suchen und Abstand vom Alltag zu finden. Der Heiligenberg liegt – wie die Abteikirche Corvey und das karolingische Westwerk –  am Jakobsweg und lässt sich von seinem Gründungsort, der ehemaligen Reichsabtei, aus auf den Spuren der Mönche innerhalb weniger Stunden erwandern. Wer nach dem Aufstieg auf einer der Bänke vor der Michaelskapelle Platz nimmt, dem Zwitschern der Vögel lauscht und auf das Gotteshaus schaut, fühlt sich der Welt entrückt und Gott ganz nah.

Kloster Brenkhausen ist Zentrum der Ökumene

Ein weiteres lohnenswertes Ausflugsziel in der unmittelbaren Umgebung der Welterbestätte ist das Kloster Brenkhausen bei Höxter – eine der Gründungen Corveys. Mitte des 13. Jahrhunderts von Abt Hermann I. von Corvey gegründet, führten Zisterzienserinnen und ab 1601 dann Benediktinerinnen im Schelpedorf ein gottgeweihtes monastisches Leben. Die Säkularisation 1803 setzte der fast 600 Jahre währenden Klostertradition ein Ende – bis die koptische Kirche sie 190 Jahre später wieder aufnahm: Mit dem Kauf des barocken Teils der Anlage in Brenkhausen schlug Ende 1993 die Geburtsstunde des nach der Gottesmutter Maria und dem Heiligen Mauritius benannten koptisch-orthodoxen Klosters. Bischof Anba Damian, der bis heute die Geschicke dieses Glaubensortes leitet, erinnert sich noch lebhaft an den Tag, als er in eine Ruine eingezogen war. Welche Erfolgsgeschichte mit seinem Einzug für das verfallende Kloster in Brenkhausen begann, ahnte damals niemand. Die Kopten haben den barocken Teil des Konventsgebäudes mit sehr viel Eigenleistung denkmalgerecht saniert und zu einer zentralen Anlaufstelle für Gläubige ihrer Kirche in Deutschland sowie zu einem Zentrum der Ökumene gemacht. Das koptische Kloster bereichert die Region um einen spirituellen Anziehungspunkt nahe dem Welterbe-Leuchtturm Corvey. Die Tür steht für alle offen, die guten Willens sind. Bischof Damian führt das Haus aus einem Geist der Glaubensfreude heraus – und schafft damit ein Klima, dessen Spiritualität in hektischer Zeit guttut. Das unerschütterliche Gottvertrauen dieser Gemeinschaft lässt keinen Besucher kalt – egal ob er Tagungsgast, Ausflügler oder Pilger ist. Inzwischen gehören ein Gästehaus und ein Restaurant zum Kloster dazu.
Den gotischen Teil der Anlage und die ehemalige Klosterkirche erfüllt die katholische Kirchengemeinde St. Johannes Baptist seit jeher mit einem regen Glaubens- und Gemeindeleben. Sie wird 1231 erstmals urkundlich erwähnt und prägt bereits seit dem 8. Jahrhundert christliches Leben im Dorf. Mit den koptischen Nachbarn entwickelte sich gleich nach deren Einzug ein freundschaftliches Miteinander in ökumenischer Geschwisterlichkeit. Diese Verbundenheit prägt die besondere Strahlkraft dieses Ortes. “Im katholischen Pastoralverbund Corvey wird das Kloster Brenkhausen zum Geistlichen Zentrum LAETARE entwickelt”, berichtet Pastor Tobias Spittmann. “Das Zentrum der Ökumene haben Katholiken und Kopten zusammen wachsen lassen. Diese gute Gemeinschaft zweier Kirchen in einem Kloster ist einmalig in Deutschland”, erläutert der Geistliche. Er weist auch darauf hin, dass das Kloster Brenkhausen auf der Route verschiedener Pilgerwege liegt: Klostergarten-Route,  Bibelpfähle-Route,  Historischer Klosterweg, Weg der Stille.

Titelfoto/Beitragsbild: Von den aufgemauerten Kirchenfundamenten der Propstei „tom Roden“ aus ist Corvey zu sehen. Die Galerie unten  zeigt Motive des Klosters Brenkhausen.