AKTUELL

In memoriam: Professor Dr. Uwe Lobbedey und Dr. Matthias Exner

By 17. Januar 2021No Comments

Die Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus zu Corvey und das wissenschaftliche Kompetenzteam zur Erschließung des karolingischen Westwerks trauern um zwei hochprofilierte Corvey-Forscher und geschätzte Weggefährten: Professor Dr. Hans-Uwe Lobbedey und Dr. Matthias Exner sind verstorben. Ihre Forschungen und exzellente Fachkunde haben zum heutigen Kenntnisstand über das mittelalterliche Corvey wesentlich beigetragen. „Bestürzt über ihren Tod und dankbar für ihr Wirken blicken wir auf die großen Verdienste der Verstorbenen sowie auf die angenehme, gedeihliche Zusammenarbeit mit ihnen zurück.“

Professor Dr. Christoph Stiegemann, Leiter des Corvey-Kompetenzteams und ehemaliger Direktor des Diözesanmuseums Paderborn, würdigt Uwe Lobbedey (*28.06.1937 † 05.01.2021) als herausragenden Bauhistoriker und Denkmalpfleger, der sich auf vielen Gebieten der mittelalterlichen Bauforschung und Kirchenarchäologie in Westfalen – unter anderem in Enger, Herford, Meschede, Minden, Paderborn und Nottuln – größte Verdienste erworben habe. „Dabei gehört sicherlich die Paderborner Domgrabung 1978 bis 1980 und 1983, deren Ergebnisse in der sorgfältig edierten vierbändigen Publikation aus dem Jahr 1986 vorliegen, zu den Meilensteinen in der an herausragenden Leistungen reichen wissenschaftlichen Vita des Verstorbenen.“

Ratgeber und Freund

Der Corvey-Forscher Professor Dr. Uwe Lobbedey und der Leiter des wissenschaftlichen Kompetenzteams zur Erschließung des Westwerks, Professor Dr. Christoph Stiegemann (rechts), bei der Tagung im November 2019  im Welterbe. Foto: Kalle Noltenhans

Seine besondere Liebe habe der ehemaligen Abteikirche in Corvey gegolten. „Mit der unvergessenen Hilde Claussen zusammen hat er jahrzehntelang die karolingische Klosterkirche archäologisch und bauhistorisch umfassend erforscht. Seinen Untersuchungen verdanken wir detaillierte Kenntnisse zu Baugestalt und Bautechnik sowie die sichere Dokumentation der Bauphasen von der Karolingerzeit bis zum barocken Neubau 1667“, ordnet Professor Stiegemann das Wirken des Verstorbenen als hochrangig ein.

In Paderborn und Corvey sind sich die beiden Wissenschaftler nicht zum ersten Mal begegnet: „Uwe Lobbedey hat mir während meines Studiums in Münster die mittelalterliche Sakralarchitektur in Westfalen erschlossen“, erinnert sich Christoph Stiegemann – und schildert mit großer Wertschätzung, wie er den Verstorbenen damals erlebt hat. „Er war nicht nur mein Lehrer, sondern wichtiger Ratgeber und Freund – ein Mann mit festen Grundsätzen und hohem Arbeitsethos, verlässlich, dabei immer bescheiden, menschlich zugewandt und mit Freundlichkeit und Herzenswärme begabt!“

Das Corvey-Projekt hat Uwe Lobbedey in den vergangenen Jahren mit großem Engagement und enormer Fachkenntnis begleitet. „Unendlich bereichernd war die gemeinsame Betrachtung der Befunde vor Ort, wo er aus der genauen Kenntnis der Fundsituation und seinem enormen Erfahrungsschatz viele offene Fragen klären konnte. In bester Erinnerung habe ich unsere Begegnung anlässlich der internationalen Tagung ‚Neue Technologien zur Vermittlung von Welterbe‘ am 28. und 29. November 2019, die ihn an den Ort seiner jahrzehntelangen Forschungen geführt hat.“

Corvey war Teil seines Lebens

Für einen Blogbeitrag auf der Welterbe-Homepage hat Professor Lobbedey während der Tagung vor Ort in Corvey auf seine Forschungen zurückgeblickt. Corvey sei Teil seines Lebens, resümierte der renommierte Archäologe und Kunsthistoriker seinerzeit im Interview. „Beim Corvey-Projekt verlieren wir mit Uwe Lobbedey einen wichtigen Mentor und Freund“, sagt Professor Stiegemann. „Auch wenn er sie nicht mehr hat vollenden können, so wollen wir doch seine profunden Forschungen zum Welterbe sichern und veröffentlichen“, kündigt Stiegemann an. Durch seine grundlegenden Forschungen bleibe der Name Uwe Lobbedey auch künftig untrennbar mit der Klosterkirche Corvey verbunden. „Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.“

Fachwissenschaftler von Rang

Diese Aufnahme zeigt Dr. Matthias Exner während seines Vortrags in der barocken Abteikirche Corvey im November 2019. Foto: Kalle Noltenhans

Anlässlich der Tagung im November 2019 war auch Dr. Matthias Exner als Referent und Moderator in Corvey und Paderborn dabei. Als ICOMOS-Monitor zeichnete er zusammen mit Frau Dr. Dörthe Jakobs vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württembergs, Stuttgart,  für die wissenschaftliche und konservatorische Begleitung des Corvey-Projektes verantwortlich, wobei er stets auch die Anliegen der Kirchengemeinde und die Anforderungen zur Erschließung des Welterbes für die breite Öffentlichkeit im Blick behielt. Dr. Exner ist völlig überraschend am 21. Dezember 2020 an Corona verstorben. Der leidenschaftliche Denkmalpfleger und Denkmalforscher hat während des Symposiums in Paderborn und Corvey den universellen Wert der Wandmalereien im Westwerk herausgestellt, zu deren Alleinstellungsmerkmalen, wie er betonte, die berühmte Odysseus-Szene als Zeugnis der Berücksichtigung profaner und umgedeuteter Ikonographie in den Bildprogrammen karolingischer Sakralbauten gehöre. Die Sinopien und Stuckfragmente des Johanneschors „erlauben den wichtigsten Beleg für die Produktion von Großplastik aus karolingischer Zeit nördlich der Alpen und zugleich den aussagekräftigsten Nachweis für die enge konzeptionelle und handwerkliche Synthese von Wandmalerei und Stuckplastik in den Dekorationssystemen dieser Epoche“, erläuterte Dr. Exner. Sein Beitrag zum universellen Wert der karolingischen Wandmalereien in Corvey, der inzwischen im Erträgeband „Neue Technologien zur Vermittlung von Welterbe“, Dresden 2020, publiziert vorliegt, wird nun leider sein letzter zur karolingischen Wandmalerei in Corvey bleiben.

ICOMOS-Monitor für das Welterbe Corvey

Der unerwartete, viel zu frühe Tode von Matthias Exner sei für ihn persönlich besonders schmerzlich, sagt Professor Stiegemann.  Nach dem Ausscheiden von Professor Berthold Burkhardt, Braunschweig, sei mit Dr. Matthias Exner, dem langjährigen Referatsleiter am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München, ein in allen Welterbe-Fragen überaus erfahrener Denkmalpfleger und höchst qualifizierter Kunsthistoriker als ICOMOS-Monitor für das Welterbe Corvey bestimmt worden. „Für uns war dies insofern eine Fügung, da Matthias Exner, dem ich seit unseren Begegnungen bei Frau Professor Florentine Mütherich, der grande dame der karolingischen Buchmalerei in München, freundschaftlich verbunden war, als Spezialist auf dem Gebiet der früh­mittelalter­lichen Wand­malerei und Stuck­ausstattung internatio­nales Ansehen genoss. So konnten wir uns glücklich schätzen, ihn bei der Aufarbeitung des Nachlasses von Hilde Claussen und der anstehenden kunsthistorischen Bearbeitung und Einordnung der Wandmalerei in Corvey an unserer Seite zu wissen, besaß er doch wie kein zweiter die hierzu unverzicht­bare komplemen­täre Kompetenz im Feld der Buchmalerei. Sein Tod reißt eine Lücke, die sich nur schwerlich wird schließen lassen.“

„In Anbetracht der besonderen Fachexpertise von Matthias Exner trifft uns sein Tod besonders hart“, betont Professor Stiegemann, „verlieren wir doch nicht nur einen Fachwissenschaftler und Corvey-Spezialisten von Rang, sondern vor allem einen überaus feinen, liebenswürdigen Menschen und Freund, der viel zu früh von uns gegangen ist.“