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In die Tiefe geschaut

By 29. April 2020No Comments

Die Fundamente und die Stahlträger für die Glastrennwand zwischen Westwerk und barocker Abteikirche tangieren im Boden keine karolingischen Grundsteine. Diese Erkenntnis haben Archäologen bei Untersuchungen vor Ort  gewonnen. Der denkmalrechtlich bereits genehmigten Glaswand steht jetzt also nichts mehr im Wege.

„Die karolingischen Fundamente liegen so tief, dass sie vollkommen unversehrt bleiben“, fasst  Architekt Albert Henne aus Höxter, der im Auftrag der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus Corvey die laufenden Baumaßnahmen im Westwerk betreut, die Ergebnisse der Sondage zusammen. Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) haben zwei Stellen im Boden zwischen Westwerk und Kirche in Augenschein genommen. Die letzte der beiden Untersuchungen ist in diesen Tagen an der Reihe gewesen.

Blick in die Tiefe des Bodens zwischen Westwerk und ehemaliger Abteikirche.

Die Sand-Kies-Füllung unter der Betonsohle ist für die Sondage ans Tageslicht geholt worden..

Damit die Wissenschaftler in die Tiefe hineinschauen konnten, mussten Fachhandwerker den Boden öffnen. Steinmetze lösten zunächst auf einer Fläche von einem Meter Länge und 80 Zentimetern Breite  vorsichtig die Sandsteinplatten aus ihrem Mörtelbett. Mittels Kernbohrung wurden dann Teile der darunter liegenden, zehn Zentimeter starken Betonsohle  heraus gefräst.

Fundament tief genug

Zum Vorschein kam eine Sand- und Kiesfüllung und darunter schließlich das Fundament aus karolingischer Zeit. Zwischen ihm und der Unterkante der Betonsohle liegen, so Architekt Albert Henne,  45 Zentimeter. „Es liegt also tief genug“, konstatiert der Architekt, während er mit der Taschenlampe in das Loch im Boden hineinleuchtet. Der karolingische Bestand wird nicht angetastet – so wie es bei sämtlichen Baumaßnahmen zum Erhalt und zur Erschließung des Westwerks oberste Maxime ist.

Diese Betonplomben sind mittels Kernborhung herausgelöst worden.

Arbeiten laufen wie am Schnürchen

Die restauratorischen Arbeiten laufen wie am Schnürchen. Weil Kirche und Westwerk  geschlossen sind, kommen die Restauratoren in der Erdgeschosshalle zügig voran. Sie konnten schneller als bei laufendem  Besucherverkehr die Natursteinoberflächen der vier Rundsäulen von einem Farbabstrich befreien und die Gipskrusten in den Sockelzonen der Stützen abstrahlen. Das Erdgeschoss wird also nicht mehr lange Baustelle sein. Eine der letzten Einhausungen schirmt den geöffneten Boden zwischen Westwerk und Kirche vom Rest des Raumes ab. Die herausgebohrten Betonplomben liegen neben dem Loch und warten darauf, wieder eingesetzt zu werden. Die Sandsteinplatten sind beim Herausnehmen unversehrt geblieben. Wenn auch sie an Ort und Stelle zurückgekehrt sind, sehen die Besucher nachher überhaupt nicht, dass der Boden einmal geöffnet war.

Für die Glaswand stehen als nächster Schritt die Ausschreibungen an. Vorher loten Experten noch mit Hilfe eines Dummys aus, wie sich die etwa 300 Kilogramm schweren Elemente unter die Gewölbescheitel bewegen lassen. Dabei greifen der Architekt und die weiteren Fachleute auf die Folienwand   zurück, die sie im Zuge der Luftstrommessungen im Westwerk konstruiert hatten.

Nach der Saison, die immer Anfang November endet, soll dann die „echte“ Wand eingebaut werden. Sie stellt in erster Linie die Integrität des Sakralraums als Ort der Liturgie und des Gebets sicher und dient außerdem als Projektionsfläche für die multimediale Inszenierung der monastischen Geschichte Corveys.

Hinter dieser Einhausung zwischen Westwerk und Kirche verbirgt sich das Loch im Boden. Fotos: Sabine Robrecht

Blick in die Tiefe: Architekt Albert Henne leuchtet in das Loch im Boden.

Einbau der Orgel geht weiter

Bevor ihr Einbau ausgeschrieben wird, kommen die Orgelbauer der niederländischen Fachfirma Flentrop: Der technische Einbau des bedeutenden Barockinstruments geht im Mai weiter – inklusive der Balganlage samt Gehäuse. Ihr „Einzug“ in den Dachraum über dem Kirchenschiff wird der nächste spektakuläre Einsatz in der ehemaligen Benediktinerabtei sein. Die Pfeifen der restaurierten  Springladenorgel müssen noch warten, bis die Arbeiten im Johanneschor abgeschlossen sind. In dem bedeutenden Sakralraum – der Herzkammer des Welterbes – werden Putzflächen gereinigt und stellenweise ausgebessert. An der gut erhaltenen Stuckdecke sind nur Reinigungsarbeiten nötig.

Auch sie werden dazu beitragen, dass das karolingische Westwerk in seiner besonderen Strahlkraft zu neu erblüht. In der Erdgeschosshalle werden die Besucherinnen und Besucher schon sehr bald diesen erbaulichen Eindruck gewinnen können.