Auf der prachtvollen Orgelempore und auch am monumentalen Hochaltar finden sie – sehr zu ihrer Freude – originale rote Zinnoberfassungen aus der barocken Erbauungszeit. Und machen aber auch eine eher rätselhafte Entdeckung: Als Restauratoren in diesen vorweihnachtlichen Dezembertagen die historische Ausstattung der Abteikirche Corvey unter die Lupe nehmen und die kostbare Substanz fachgerecht reinigen und sichern, erscheint im hellen Licht der Arbeitslampe plötzlich eine mumifizierte Kröte.
Dieser Fund wirft Fragen auf – zuallererst die, wie eine Amphibie überhaupt dorthin kommen kann. Diese Frage ist berechtigt. Denn der Fundort der Kröte – das Giebelsegment des barocken Hochaltars – liegt sehr hoch. Wie kann eine Kröte so hoch hinauswollen? War sie ein Ausnahmetalent im Klettern? Oder eher ein Bauopfer? Die seltsame Entdeckung gibt Anlass zu augenzwinkernden Spekulationen und beflügelt die Phantasie.
Vorfreude weckt die Möglichkeit, an einem dieser geschäftigen Dezembertage gemeinsam mit den Restauratoren auf dem Gerüst am imposanten Hochaltar emporsteigen zu dürfen. Im eigentlich so vertrauten Corvey erwarten uns völlig neue Sinneseindrücke. Karen Keller, die die restauratorische Fachbauleitung im Welterbe innehat, schaut sich zusammen mit den Geschwistern Sina und Chris Theile aus Obermarsberg interessante Befunde an. Die beiden Restauratoren sind mit den Arbeiten zur Reinigung und Festigung der Substanz des Hochaltars und der beiden Seitenaltäre beschäftigt.
Hoch oben unter dem Chorgewölbe nimmt Sina Theile mit Karen Keller das geschnitzte Relief mit dem Gesicht Jesu und dem in seiner Plastizität beeindruckenden Schweißtuch der Veronika in Augenschein. Die Fachleute sind erfreut über den Erhaltungszustand der Gesichtskonturen des Christus-Reliefs. Die Blutläufe unter der Dornenkrone sind bei einer vorherigen Restaurierung freigelegt worden und deutlich erkennbar – vor allem aus der unmittelbaren Nähe, die nur das Gerüst zulässt. Originale Zinnober-Fassungen um das Schweißtuch und das Gesicht Jesu herum runden die für die Fachleute erfreuliche Befundlage ab.
Beim Aufstieg zu diesem in seiner Wirkung eindringlichen Relief und dem unmittelbar darunter liegenden Tondo mit der Darstellung der Dreifaltigkeit stehen wir plötzlich den beiden Schutzpatronen Corveys, St. Stephanus und Vitus, gegenüber. Vergoldete und mit Weinlaubranken geschmückte Spiralsäulen flankieren die lebensgroßen Skulpturen. Die beiden Schutzheiligen schauen vom Hochaltar auf das Kirchenvolk hinunter. Mit ihnen den Blick in den Kirchenraum und zur gegenüberliegenden Orgelempore schweifen zu lassen, erweitert nicht nur den Erlebnishorizont, sondern relativiert für einige besondere Augenblicke die Anforderungen des Alltags am Boden. Das himmlische Jerusalem wird spürbar – und mit ihm die Schöpferkraft, die diese hoffnungsvolle Vision auch in den Künstlern geweckt hat, die den Hochaltar mit seinen Skulpturen, Zier- und Architekturelementen geschaffen haben.
Diesen Gedanken nachhängend, erfreuen wir uns beim Auf- und Abstieg an Details, die auf Augenhöhe so ungewohnt und erbaulich ins Blickfeld geraten. Die Engel, die Putten, die korinthischen Kapitelle, die die Säulen krönen, und nicht zuletzt die kaiserlichen Stifter Karl der Große und Ludwig der Fromme, der die Kirche von Corvey in der Hand hält. Sie alle sind Teil eines Gesamtkunstwerks barocker Triumphalarchitektur, zu dem die Seitenaltäre untrennbar dazu gehören – und das die Nicht-Restauratorin, die die Freude hatte, mit den Fachleuten auf das Gerüst zu steigen, zukünftig mit ganz anderen Augen sieht.
Im Johanneschor – dem liturgischen Zentrum des Westwerks – lässt Restauratorin Heike Wehner (Firma Ars Colendi) uns zu ihr aufs Rollgerüst klettern. Sie reinigt und festigt die so hochbedeutenden Sinopien. Die Umrisse dieser roten Vorzeichnungen für lebensgroße Stuckplastiken aus karolingischer Zeit sind nur bei bestimmtem Licht erkennbar. Auf dem Gerüst stehen wir ihnen gegenüber – und stellen uns vor, was in Hilde Claussen vorgegangen sein muss, als sie die Sinopien 1992 entdeckte. Dieser Fund war aufsehenerregend. Als Hilde Claussen dann auch noch die 1960 bei der Fußbodenerneuerung im Johanneschor gefundenen Stuckfragmente den Vorzeichnungen zuordnen konnte, war die Sensation perfekt.
Bei der multimedialen Erschließung des Westwerks werden die Besucher im Johanneschor erleben, wie imposant die sechs Stuckfiguren in den Arkadenzwickeln gewirkt haben. Im Original bleiben die Vorzeichnungen natürlich ebenso wie die fragmentarisch erhaltenen karolingischen Wandmalereien im Johanneschor unberührt. Nach Abschluss der restauratorischen Arbeiten und dem Anstrich der Wände entfalten die 1200 Jahre alten Friese wie die berühmte Odysseus-Szene eine augenfällige und würdige Wirkung. Heike Wehner erledigt an den Sinopien an diesem Dezembertag behutsam die letzten Arbeiten. Sie entfernt auch Stromkabel, die Elektriker in den 1950er Jahren an der West- und der Nordseite durch die Sinopien hindurch gelegt hatten. Zu der Zeit wusste man nichts von ihrer Existenz.
Heike Wehner hat ihre Arbeit inzwischen abgeschlossen. Auch unten in der Kirche gehen die restauratorischen Maßnahmen mit großen Schritten voran. Das erfreut das wissenschaftliche Kompetenzteam unter der Leitung von Professor Dr. Christoph Stiegemann. Das Leuchtturm-Projekt Corvey nimmt unaufhaltsam Form an.
Auf der prachtvollen Orgelempore und auch am monumentalen Hochaltar finden sie – sehr zu ihrer Freude – originale rote Zinnoberfassungen aus der barocken Erbauungszeit. Und machen aber auch eine eher rätselhafte Entdeckung: Als Restauratoren in diesen vorweihnachtlichen Dezembertagen die historische Ausstattung der Abteikirche Corvey unter die Lupe nehmen und die kostbare Substanz fachgerecht reinigen und sichern, erscheint im hellen Licht der Arbeitslampe plötzlich eine mumifizierte Kröte.
Dieser Fund wirft Fragen auf – zuallererst die, wie eine Amphibie überhaupt dorthin kommen kann. Diese Frage ist berechtigt. Denn der Fundort der Kröte – das Giebelsegment des barocken Hochaltars – liegt sehr hoch. Wie kann eine Kröte so hoch hinauswollen? War sie ein Ausnahmetalent im Klettern? Oder eher ein Bauopfer? Die seltsame Entdeckung gibt Anlass zu augenzwinkernden Spekulationen und beflügelt die Phantasie.
Vorfreude weckt die Möglichkeit, an einem dieser geschäftigen Dezembertage gemeinsam mit den Restauratoren auf dem Gerüst am imposanten Hochaltar emporsteigen zu dürfen. Im eigentlich so vertrauten Corvey erwarten uns völlig neue Sinneseindrücke. Karen Keller, die die restauratorische Fachbauleitung im Welterbe innehat, schaut sich zusammen mit den Geschwistern Sina und Chris Theile aus Obermarsberg interessante Befunde an. Die beiden Restauratoren sind mit den Arbeiten zur Reinigung und Festigung der Substanz des Hochaltars und der beiden Seitenaltäre beschäftigt.
Hoch oben unter dem Chorgewölbe nimmt Sina Theile mit Karen Keller das geschnitzte Relief mit dem Gesicht Jesu und dem in seiner Plastizität beeindruckenden Schweißtuch der Veronika in Augenschein. Die Fachleute sind erfreut über den Erhaltungszustand der Gesichtskonturen des Christus-Reliefs. Die Blutläufe unter der Dornenkrone sind bei einer vorherigen Restaurierung freigelegt worden und deutlich erkennbar – vor allem aus der unmittelbaren Nähe, die nur das Gerüst zulässt. Originale Zinnober-Fassungen um das Schweißtuch und das Gesicht Jesu herum runden die für die Fachleute erfreuliche Befundlage ab.
Beim Aufstieg zu diesem in seiner Wirkung eindringlichen Relief und dem unmittelbar darunter liegenden Tondo mit der Darstellung der Dreifaltigkeit stehen wir plötzlich den beiden Schutzpatronen Corveys, St. Stephanus und Vitus, gegenüber. Vergoldete und mit Weinlaubranken geschmückte Spiralsäulen flankieren die lebensgroßen Skulpturen. Die beiden Schutzheiligen schauen vom Hochaltar auf das Kirchenvolk hinunter. Mit ihnen den Blick in den Kirchenraum und zur gegenüberliegenden Orgelempore schweifen zu lassen, erweitert nicht nur den Erlebnishorizont, sondern relativiert für einige besondere Augenblicke die Anforderungen des Alltags am Boden. Das himmlische Jerusalem wird spürbar – und mit ihm die Schöpferkraft, die diese hoffnungsvolle Vision auch in den Künstlern geweckt hat, die den Hochaltar mit seinen Skulpturen, Zier- und Architekturelementen geschaffen haben.
Diesen Gedanken nachhängend, erfreuen wir uns beim Auf- und Abstieg an Details, die auf Augenhöhe so ungewohnt und erbaulich ins Blickfeld geraten. Die Engel, die Putten, die korinthischen Kapitelle, die die Säulen krönen, und nicht zuletzt die kaiserlichen Stifter Karl der Große und Ludwig der Fromme, der die Kirche von Corvey in der Hand hält. Sie alle sind Teil eines Gesamtkunstwerks barocker Triumphalarchitektur, zu dem die Seitenaltäre untrennbar dazu gehören – und das die Nicht-Restauratorin, die die Freude hatte, mit den Fachleuten auf das Gerüst zu steigen, zukünftig mit ganz anderen Augen sieht.
Im Johanneschor – dem liturgischen Zentrum des Westwerks – lässt Restauratorin Heike Wehner (Firma Ars Colendi) uns zu ihr aufs Rollgerüst klettern. Sie reinigt und festigt die so hochbedeutenden Sinopien. Die Umrisse dieser roten Vorzeichnungen für lebensgroße Stuckplastiken aus karolingischer Zeit sind nur bei bestimmtem Licht erkennbar. Auf dem Gerüst stehen wir ihnen gegenüber – und stellen uns vor, was in Hilde Claussen vorgegangen sein muss, als sie die Sinopien 1992 entdeckte. Dieser Fund war aufsehenerregend. Als Hilde Claussen dann auch noch die 1960 bei der Fußbodenerneuerung im Johanneschor gefundenen Stuckfragmente den Vorzeichnungen zuordnen konnte, war die Sensation perfekt.
Bei der multimedialen Erschließung des Westwerks werden die Besucher im Johanneschor erleben, wie imposant die sechs Stuckfiguren in den Arkadenzwickeln gewirkt haben. Im Original bleiben die Vorzeichnungen natürlich ebenso wie die fragmentarisch erhaltenen karolingischen Wandmalereien im Johanneschor unberührt. Nach Abschluss der restauratorischen Arbeiten und dem Anstrich der Wände entfalten die 1200 Jahre alten Friese wie die berühmte Odysseus-Szene eine augenfällige und würdige Wirkung. Heike Wehner erledigt an den Sinopien an diesem Dezembertag behutsam die letzten Arbeiten. Sie entfernt auch Stromkabel, die Elektriker in den 1950er Jahren an der West- und der Nordseite durch die Sinopien hindurch gelegt hatten. Zu der Zeit wusste man nichts von ihrer Existenz.
Heike Wehner hat ihre Arbeit inzwischen abgeschlossen. Auch unten in der Kirche gehen die restauratorischen Maßnahmen mit großen Schritten voran. Das erfreut das wissenschaftliche Kompetenzteam unter der Leitung von Professor Dr. Christoph Stiegemann. Das Leuchtturm-Projekt Corvey nimmt unaufhaltsam Form an.