Ordensgemeinschaften haben in der Verkündigung des Evangeliums eine große Überzeugungskraft. Denn Mönche und Nonnen leben ihren Glauben. Und dieses Leben in Christus weckt Interesse. Deshalb fühlen sich so viele Menschen, auch nicht religiöse, zu Klöstern hingezogen.
Mit dieser Sogwirkung im besten Sinne machte Dr. Erik Varden, Bischof im norwegischen Trondheim und selbst Ordensmann in der benediktinischen Ordensfamilie (Trappist), mehr als 80 Gäste an einem Ort mit 1000-jähriger monastischer Tradition vertraut: der ehemaligen Benediktinerabtei Corvey an der Weser bei Höxter. Von ihr aus war der erfolgreiche Missionar Ansgar im 9. Jahrhundert aufgebrochen, um die Botschaft Christi nach Nordeuropa zu bringen – dorthin, wo Bischof Varden heute dieses Erbe mit neuem Glaubensleben erfüllt.
Auf Einladung der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus Corvey und des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken mit Sitz in Paderborn war der 2020 zum Bischof geweihte Gottesmann zum Nordischen Abend im Rahmen des Jubiläumsprogramms anlässlich des 1200-jährigen Bestehens der Weserabtei und heutigen Welterbestätte aus dem hohen Norden gekommen. Von der Bischofsmesse mit Erik Varden in der vollbesetzten ehemaligen Abteikirche und seinem anschließenden Vortrag im Refektorium des Schlosses ging ein Impuls aus, der zum Urgrund des Glaubens führt und den der gebürtige Norweger in fließendem Deutsch auf eine prägnante Formel bringt: „Christsein ist keine Theorie, sondern neues Leben – keine Lehre mit moralischen Prinzipien, sondern eine Art des Seins. Ein Sein, das den Blick auf die Ewigkeit hat.” In der Rückbesinnung darauf, dass Jesus den Tod besiegt hat.
Neue Radikalität gefordert
In einer Zeit, in der die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche nicht ohne Grund auf Tiefniveau liege, „brauchen wir eine neue Radikalität”, knüpfte der Bischof an seine Grundauffassung an. Er spreche nicht von Extremismus, sondern vom Wortstamm – radix. Das heißt Wurzel. „Wir müssen tief verwurzelt sein, um das Grundwasser des Lebens zu erreichen, und die Quellen lebenden Wassers wieder ausgraben.”
Ordensleute in Klöstern leben und wirken aus dieser Verwurzelung heraus. Sie verkünden nicht nur mit Worten, sondern handeln – ganz im Sinne des heiligen Franziskus, der gesagt hat „Verkünde das Evangelium, und sollte es nötig sein, auch mit Worten.”
„Diese Dimension des Zeugnisses, des Vorlebens und des Fürbittens, bleibt vor allem im postchristlichen Kontext von großer Wichtigkeit”, postulierte Bischof Varden. Das Kloster sei ein Raum, in der sich eine neue Gesellschaft in Frieden, Freiheit und Mitmenschlichkeit finde. Menschen von außen könnten sich in einem Kloster ihrer eigenen Tiefe und der Tiefe überhaupt stellen. Deshalb interessiere es auch Nichtchristen.
Mitten in der norwegischen Diaspora, die von 30.000 Katholiken 1985 vor allem durch Emigration auf inzwischen 200.000 bis 300.000 angewachsen ist, entsteht gerade ein solcher Kraftort. Trappisten aus dem französischen Citeaux siedelten sich in Trondheim-Levanger an und gründeten das Kloster Munkeby. Die kleine, aber strahlkräftige Kommunität kehrt dort zu jahrhundertealten Wurzeln zurück. Denn den Klosterort gab es schon im Mittelalter.
Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken unterstützt die neue Mönchsgemeinschaft, die improvisiert auf engem Raum zusammenlebt, unter anderem beim Bau der Klostergebäude und der Kirche. Bischof Varden würdigte diese umfassende Hilfe. Der Generalsekretär des Bonifatiuswerks, Monsignore Georg Austen, empfindet diesen neuen Glaubensort als Zeichen der Hoffnung aus alten Wurzeln. In diesem Sinne der Impulskraft der Wurzeln für das Heute gelte es auch, das Corvey-Jubiläum zu feiern: Der Glaube wolle nicht mit Verfallsdatum konserviert, sondern gelebt werden. Und das gehe nur in Beziehung miteinander.
Ansgars Wirken erlebt neuen Aufwind
Diese Beziehung könne, angestoßen von dem Abend mit Bischof Varden, von Corvey auch dorthin führen, wo Ansgars Wirken gerade einen neuen Aufwind erlebt: nach Norwegen und ins Kloster Munkeby. Vielleicht lasse sich eine Art Partnerschaft initiieren, ganz im Sinne einer Losung, die Monsignore Austen am Herzen liegt: „Alten Wurzeln Leben geben”.
Und was das Leben angeht, so lasse sich aus der Diaspora im Norden etwas übernehmen: Wegen der weiten Wege zu Gottesdiensten schließen die Gemeinden an die Messen ein Kirchencafé an. „Das bietet sich hier in Corvey auch an”, regt Georg Austen an. „Wir müssen die Menschen in Beziehung bringen, gerade jetzt nach der Corona-Pandemie. Wir kapseln uns auch in unseren Gemeinden noch viel zu sehr ab.”
In der Prälatur Trondheim leben etwa 20.000 Katholiken aus etwa 130 Nationalitäten in lebendiger Vielfalt. Es sei eine Herausforderung und auch eine Freude, diese Vielfalt zu einer Einheit in Christus zusammenzuführen, sagt Bischof Varden.
Josef Kowalski, geschäftsführender Vorsitzender des Kirchenvorstandes der Kirchengemeinde Corvey, dankte für die Überzeugungskraft, mit der der Ordensmann und Monsignore Georg Austen eine neue Begeisterung gesät haben.
Varden beeindruckt von Odysseus-Szene
Die Gäste aus Trondheim und Paderborn hatten vor der Eucharistie das Westwerk und das Schloss besichtigt. Bischof Varden war beeindruckt von der berühmten Odysseus-Szene, die zur ursprünglichen Ausgestaltung des Johanneschores gehört. Er hatte, wie er nach seinem Vortrag erzählte, gerade das Buch von Hugo Rahner über „Griechische Mythen in christlicher Deutung” gelesen. In Corvey jetzt eines dieser Bilder für die Erlösung durch Christus zu sehen, sei ein besonderer Moment gewesen. Die Odysseus-Darstellung zeige die friedliche Gewissheit, dass Christus tatsächlich die Erfüllung aller Hoffnung ist. „Uns fehlt der Mut, das auch zu denken”, richtete er den Blick auf die Gegenwart. „Den Mut müssen wir wieder finden.”
Breite Unterstützung auf diesem Weg bietet das Bonifatiuswerk in der katholischen Diaspora an. Monsignore Georg Austen machte die Gäste in Corvey mit Einblicken in die Vielzahl der Hilfsprojekte vertraut.