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Lebendige Erinnerung an die Himmelsstadt

By 7. Juni 2022März 26th, 2024One Comment

Pfingsten ist ein Fest des Aufbruchs. Der Heilige Geist kommt auf die Jünger Jesu herab und beflügelt sie zur Verkündigung des Evangeliums. Diese Aufbruchsstimmung richtete sich bei den traditionellen Pfingstfeierlichkeiten auf dem Heiligenberg bei Ovenhausen auf ein konkretes Datum hin: das 1200-jährige Bestehen der ehemaligen Benediktinerabtei Corvey am 25. September. Dieses Kulturdenkmal von Weltrang soll ganz im Sinne des Verkündigungsauftrags Christi in seiner Wirkkraft als Ort des Glaubenszeugnisses erlebbar werden. Die Segel sind gesetzt. Davon überzeugte sich eine große Gemeinschaft bei Sonnenschein vor der St. Michaelskapelle.

Pfingstfeierlichkeiten in ökumenischer Geschwisterlichkeit: Der evangelische Pfarrer Gunnar Wirth und der Gemeinderefenrent der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Höxter, Heinrich Esau, gestalteten den von Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek zelebrierten Festgottesdienst mit. Fotos: Kirchengemeinde Corvey/Sabine Robrecht

Das kleine Gotteshaus inmitten der Natur zieht seit Jahrhunderten Menschen an, die Gott suchen. Mönche aus dem Kloster Corvey hatten die besondere Aura dieses Ortes entdeckt und 1079 den Grundstein für die St. Michaelskapelle gelegt. Die Kirchengemeinde Ovenhausen betreut diese durch das Gebet geheiligte Stätte und öffnet die Kapelle für Gottesdienste, Begegnungen und stilles Gebet. Die Feierlichkeiten am Pfingstmontag gehören zu den Leuchtturm-Veranstaltungen im Pastoralverbund.

In diesem Jahr war es dem Kirchenvorstand mit seinem geschäftsführenden Vorsitzenden Hans-Werner Gorzolka ein Herzensanliegen, auf das Corvey-Jubiläum und die Erschließung der Welterbestätte für Besucher einzustimmen. Diese bringt – ohne jeglichen Eingriff in die sensible Originalsubstanz – genau das zum Klingen, was die Mönche aus dem westfränkischen Corbie vor 1200 Jahren ins ferne Sachsenland geführt hat: die Hoffnungsbotschaft Christi, deren Ausbreitung sie den Auftrag hatten. Die Ordensmänner hinterließen der Nachwelt ein Stein gewordenes Glaubenszeugnis.

Professor Dr. Christoph Stiegemann fächerte die Planungen zur lebendigen Erschließung des Erinnerungs- und Glaubensortes Corvey auf. Wir haben sein Glaubenszeugnis am Ende dieses Beitrags zum Nachlesen hinterlegt.

Auf diese geistliche Dimension und ihre Lebendigkeit richtete der Festredner der Pfingstfeierlichkeiten, Professor Dr. Christoph Stiegemann, den Blick. Der renommierte Kunsthistoriker und ehemalige Direktor des Diözesanmuseums Paderborn leitet das wissenschaftliche Kompetenzteam der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus Corvey und erläuterte, wie mit Hilfe digitaler Tools Steine zum Sprechen gebracht werden sollen.

„Unser Ziel ist die Verlebendigung des Vergangenen“, sagte Professor Stiegemann. Abgeleitet aus dem Zitat „Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme weiterzureichen“ soll Corvey nicht als „totes Bauzeugnis“ bewahrt werden. Denn: „Wir haben es mit einem vitalen Teil unserer christlichen Identität zu tun.“ Die Flamme der Glaubensstärke, die an diesem Ort bis heute brenne, gelte es weiterzureichen anstatt nur die Asche zu bewahren. Dass die Belange des Denkmalschutzes berücksichtigt würden, um dieses große Erbe den künftigen Generationen unbeschadet zu übergeben, sei selbstverständlich, betonte Professor Stiegemann. Moderne Medien machen es möglich, die ursprüngliche Farbigkeit und bauplastische Ausgestaltung des Johanneschores mitsamt ihrer spirituellen Botschaft erblühen zu lassen, ohne die Originalsubstanz anzutasten.

Die Besucher werden, wie der Festredner voller Leidenschaft und Überzeugungskraft auffächerte, eine Raum- und Lichtinszenierung erleben, die die frühmittelalterliche Geschichte fesselnd in Szene setzt. Die Gäste sollen sich vorstellen können, dass die Mönche in der Einöde des Sachsenlandes ein irdisches Abbild des himmlischen Jerusalems erschaffen wollten, so wie es die Grundsteinplatte eindrücklich beschreibe. „Umhege, o Herr, diese Stadt und lass deine Engel Wächter ihrer Mauern sein.“ Eine Replik der Inschriftentafel kündet an der Doppelturmfassade des Westwerks von diesem Segenswunsch, mit dem die große Geschichte dieses Leuchtturms der Christenheit ihren Anfang nahm.

Zu diesen Anfängen werden die Besucher gleich im Erdgeschoss des Westwerks geführt: Die Glastrennwand, die den Kirchenraum der ehemaligen Abteikirche vom touristischen Betrieb trennen wird, dient als Projektionsfläche für einen Acht-Minuten-Film zur klösterlichen Geschichte. An Pfingsten 2016 sei ihm die Idee gekommen, die Glaswand auch als Projektionsfläche zu nutzen, berichtete Professor Stiegemann. „Höhepunkt des Films wird die virtuelle Rekonstruktion der 1665 abgebrochenen karolingischen Basilika sein“, kündigte der Wissenschaftler an.

Hans-Werner Gorzolka (Mitte, Kirchenvorstand Ovenhausen) liegt der Heiligenberg am Herzen. Gemeinsam mit Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek (links) dankte er dem Festredner Professor Dr. Christoph Stiegemann.

Die multimediale Erschließung sei ein vitaler Versuch, neue Brücken zu schlagen, um deutlicher zu sehen, wo Himmel und Erde sich berühren, schloss Professor Stiegemann seine impulsgebende Festrede. In einer Zeit, in der der Himmel verschlossen zu sein scheine, könne eine verlebendigte Erinnerung dabei helfen, Krisen zu bewältigen und den ‚toten Punkt‘, den Kardinal Reinhard Marx der katholischen Kirche bescheinigt hat, zu überwinden.

In diesem Sinne soll Corvey zum Jubiläum den Menschen als steinernes und zugleich lebendiges Zeugnis der Heilsbotschaft der Evangeliums Halt geben. Das Jubiläumsmotto, „Wo der Himmel der Erde berührt“, soll Zuversicht ausstrahlen. Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek, der den Gottesdienst zelebrierte, brachte den Auftrag, dem sich die Kirchengemeinde Corvey verpflichtet sieht,  mit einem an dieser Stelle nur sinngemäß wiedergegebenen Zitat aus dem Petrusbrief auf den Punkt: „Seid bereit, jedem Zeugnis zu geben von der Hoffnung, die euch erfüllt.“

Das taten die christlichen Kirchen auf dem Heiligenberg in ökumenischer Gemeinschaft: Pfarrer Gunnar Wirth von der evangelischen Weser-Nethe-Kirchengemeinde und Gemeindereferent Heinrich Esau von der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Höxter gestalteten den Gottesdienst in malerischer Natur mit.

Die St. Michaelskapelle ist, wie Hans-Werner Gorzolka ankündigte, sonntags 16 bis 18 Uhr geöffnet.

Pfingsten Heiligenberg 2022 Glaubenszeugnis Prof. Dr. Christoph Stiegemann